Starke Kinder

…“
    Was sollten Sie wissen?
    Eine Familie kann als ein System verstanden werden, wobei die Mitglieder der Familie einzelne Elemente darstellen. Die Elemente stehen in Beziehung untereinander und wahren so die Balance des Systems. Die Beziehungen untereinander können verschiedene Qualitäten haben. Es kann sehr enge, distanzierte und konfliktreiche Beziehungen geben.
    Ergeben sich Veränderungen im System (z. B. Geburt eines Kindes), so verschieben sich die Gleichgewichte im System. Das System muss sich neu ausbalancieren.
    In Abbildung 4 sehen Sie ein System einer dreiköpfigen Familie: Vater, Mutter, Kind. Das System ist ausgewogen. Es bestehen gute Beziehungen untereinander.

    Abbildung 4: Ausgewogenes Familiensystem
    Dann treten Veränderungen ein: Ein neues Geschwisterkind wird geboren und das System wird durcheinandergewirbelt. Es kann (zwischenzeitlich) zu einem System wie in Abbildung 5 kommen. Das neugeborene Kind wird intensiv von der Mutter umsorgt. Es entsteht eine enge Beziehung zwischen der Mutter und dem Säugling. Zwar gelingt es den Eltern, die Beziehung zu ihrem älteren Kind aufrechtzuerhalten, aber keiner der beiden hat die Möglichkeit, vorübergehend eine intensivere Beziehung aufzubauen. Das ältere Kind reagiert mit Eifersucht. Der Vater schafft es zu diesem Zeitpunkt nicht, eine Beziehung zum Neugeborenen aufzubauen.

    Abbildung 5: Durch die Geburt eines zweiten Kindes verändertes System
    Die Beziehungen dieses Systems sind stark voneinander abhängig. Probleme und Streitigkeiten können auf verschiedene Weise gelöst werden. Gelingt es in dem vorangegangenen Beispiel dem Vater eine Beziehung zum Neugeborenen aufzubauen, kann die Mutter sich aus dieser intensiven Beziehung lösen und vermehrt dem älteren Kind zuwenden. Dieses erhält seine gewohnte Aufmerksamkeit und muss nicht mehr eifersüchtig sein. Der Vater könnte sich auch vermehrt dem älteren Kind zuwenden und ihm damit über die Erkenntnis hinweghelfen, dass es von nun an seine Mutter „teilen“ muss.
    Sind in einem System die Beziehungen sehr eng, starr oder durch Pseudonähe gekennzeichnet, so erhöht sich die Gefahr eines sexuellen Missbrauchs deutlich. Solche Beziehungen wirken sehr intensiv. Die Partner kennen sich vermeintlich sehr gut. Sie verändern ihre Beziehung über Jahre hinweg auch nicht. Eine solche Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass zumindest einer der beiden Beziehungspartner keine Entwicklung vollziehen darf. Sie/Er soll so bleiben wie er bzw. sie ist. Der Partner wird sehr geliebt – solange er so bleibtwie er ist und wie er gewünscht wird. Eine Mutter könnte ihr Kind in einer solchen Beziehung halten, indem sie von ihrem Kind erwartet, dass es immer (auch wenn es bereits 40 Jahre alt ist) ihre wichtigste Bezugsperson bleibt und weiterhin mit ihr im gleichen Haus lebt.
    Welche Übungen können Sie einsetzen?
    Empfohlen wird Übung 9.1 .
    9.1    Welche Strukturen kennzeichnen meine Familie?
    Im Folgenden werden Sie eingeladen, Ihre eigene Familie (mit deren wichtigsten Bezugspersonen) und deren Beziehungen untereinander zu erkunden. Ihre Darstellung ist nur eine der möglichen Sichtweisen auf Ihre familiäre Situation. Jedes Mitglied Ihrer Familie wird seine eigene Sichtweise der Dinge haben. Insofern können Sie (müssen aber nicht) auch Ihren Partner bitten seine Einschätzung abzugeben oder Ihre mit ihm/ihr zu diskutieren. Es besteht auch die Möglichkeit, die Sichtweise Ihres Kindes auf die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander in Erfahrung zu bringen. Bedenken Sie bitte, dass Ihre Darstellung oder die Ihres Kindes nicht nur aus Ihrer persönlichen Sicht, sondern auch von aktuellen Geschehnissen gefärbt ist.
    Ziel dieser Übungen ist es, Ihnen eine neue Sichtweise auf Ihr persönliches System „Familie“ zu geben und sich für Sie selbstverständlicher Strukturen bewusst zu werden.
    Für den Fall, dass Sie sich im Anschluss an diese Übungen Veränderungen wünschen, erhalten Sie anschließend einige Anregungen.
    Anmerkung für Erzieherinnen und Erzieher
: Das Vorgehen ist nicht beschränkt auf das System „Familie“. Es kann auch auf andere Systeme wie z.B. das System „Schulklasse“ oder „Kindergartengruppe“ angewendet werden. Durch die Vielzahl der Mitglieder und deren Beziehungen untereinander werden Darstellungen schnell