Starkes Gift
Norman Urquhart als meinen letzten Wunsch auf, besagtem Philip Boyes von den Einnahmen aus besagtem, von ihm lebenslang genutztem Vermögen nichts zu überlassen oder zu leihen oder besagten Philip Boyes in irgendeiner Weise damit zu unterstützen.«
»Hm!« machte Wimsey. »Das ist deutlich. Und ganz schön rachsüchtig.«
»Ja, das kann man wohl sagen – aber was macht man mit einer alten Frau, die vor der Vernunft die Ohren verschließt?
Sie hat mir scharf auf die Finger geguckt, damit ich es nur ja ganz hart und eindeutig formulierte, bevor sie ihren Namen daruntersetzte.«
»Das muß wirklich niederschmetternd für Philip Boyes gewesen sein«, sagte Wimsey. »Vielen Dank – ich bin froh, daß ich das zu sehen bekommen habe; es macht die Selbstmordtheorie ein gutes Stück wahrscheinlicher.«
Theoretisch mochte das durchaus der Fall sein, aber leider paßten die Theorie und das, was Wimsey bisher alles über Philip Boyes’ Charakter gehört hatte, nicht so gut zusammen, wie er es sich gewünscht hätte. Er persönlich war eher geneigt, den entscheidenden Grund für den Selbstmord in dem letzten Gespräch mit Harriet Vane zu sehen. Aber auch das war nicht ganz überzeugend. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Philips Gefühle für Harriet Vane so geartet waren. Vielleicht sträubte er sich aber auch nur, gut von diesem Mann zu denken. Vielleicht, so fürchtete er, trübten hier seine eigenen Empfindungen ein wenig sein Urteil.
Er fuhr nach Hause zurück und las die Fahnen von Harriets Roman. Kein Zweifel, sie konnte schreiben, aber es war auch nicht zu bezweifeln, daß sie allzuviel über Arsen und seine Wirkung wußte. Zu allem Überfluß handelte die Geschichte von zwei Künstlern, die in Bloomsbury wohnten und ein ideales Leben führten, voller Liebe, Lachen und Armut, bis jemand unfreundlicherweise den jungen Mann vergiftete und die untröstliche junge Frau nur noch dem Ziel lebte, ihn zu rächen. Wimsey knirschte mit den Zähnen und fuhr zum Holloway-Gefängnis, wo er sich beinahe als eifersüchtiger Trottel gebärdete. Glücklicherweise kam ihm sein Humor zu Hilfe, nachdem er seinen Schützling bis an den Rand der Erschöpfung und Tränen verhört hatte.
»Entschuldigung«, sagte er. »Ich bin auf diesen Boyes einfach ganz abscheulich eifersüchtig. Das sollte ich nicht sein, aber ich bin’s.«
»Das ist es eben«, antwortete Harriet. »Und Sie würden es immer sein.«
»Und wenn, dann könnte ich nicht damit leben, meinen Sie das?«
»Sie würden sehr unglücklich sein. Ganz abgesehen von allen anderen Nachteilen.«
»Aber sehen Sie«, sagte Wimsey, »wenn Sie mich heiraten, würde ich doch nicht mehr eifersüchtig sein, denn dann wüßte ich ja, daß Sie mich wirklich gern hätten und alles.«
»Das glauben Sie. Aber Sie wären es doch.«
»So? O nein, bestimmt nicht. Wieso sollte ich? Es wäre doch genauso, als ob ich eine Witwe heiratete. Sind alle zweiten Ehemänner eifersüchtig?«
»Das weiß ich nicht. Aber es ist eben nicht ganz dasselbe. Sie würden mir niemals wirklich vertrauen, und wir wären todunglücklich.«
»Aber zum Kuckuck!« rief Wimsey. »Wenn Sie nur ein einziges Mal sagten, daß Ihnen ein ganz klein wenig an mir liegt, wäre schon alles in Ordnung. Ich würde es glauben. Nur weil Sie es nicht sagen, bilde ich mir alles mögliche ein.«
»Und Sie würden es sich gegen Ihren Willen weiter einbilden. Sie könnten mir gegenüber nicht unbefangen sein. Das kann kein Mann.«
»Keiner?«
»Nun, kaum einer.«
»Das wäre gräßlich«, sagte Wimsey in vollem Ernst.
»Wenn ich mich als so ein Idiot entpuppte, wären die Dinge natürlich hoffnungslos. Ich verstehe, was Sie meinen. Ich hab mal einen gekannt, der von der Eifersucht infiziert war. Wenn seine Frau ihm nicht ständig am Hals hing, zeigte es seiner Meinung nach, daß er ihr nichts bedeute, und wenn sie ihm ihre Zuneigung zeigte, nannte er sie eine Heuchlerin. Es wurde einfach unerträglich, und schließlich rannte sie mit einem auf und davon, an dem ihr nicht für zwei Penny lag, worauf er hinging und sagte, er habe sie die ganze Zeit eben doch richtig eingeschätzt. Alle andern sagten jedoch, daß es nichts als seine eigene Dämlichkeit war. Das ist alles sehr kompliziert. Anscheinend ist der im Vorteil, der zuerst eifersüchtig wird. Vielleicht könnten Sie es fertigbringen, eifersüchtig auf mich zu sein. Ich wollte, Sie wären es, denn das würde beweisen, daß Sie sich für mich interessieren. Soll
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