Starkes Gift
steht allerdings, daß seine gute Erziehung auf eine harte Probe gestellt wurde. Es begann ganz unverfänglich beim Tee, als Mrs. Dimsworthy, die »Grille«, mit ihrer hohen, durchdringenden Stimme heraustrompetete: »Stimmt es denn, Lord Peter, daß Sie diese schreckliche Giftmischerin verteidigen?« Die Frage hatte die Wirkung eines plötzlich aus der Flasche schießenden Sektpfropfens. Die ganze unterdrückte Neugier der Weihnachtsgesellschaft in bezug auf den Fall Vane sprudelte mit einem Schlag empor und schäumte über.
»Für mich steht fest, daß sie’s war, und ich kann’s ihr nicht verdenken«, sagte Hauptmann Tommy Bates. »Ein absoluter Widerling. Hat sogar sein Foto auf den Schutzumschlägen seiner Bücher – so einer war das. Man kann sich nur wundern, wie diese intellektuellen Frauen auf solche Schmierfinken fliegen. Diese ganze Bande gehört vergiftet wie die Ratten. Wenn man nur sieht, welchen Schaden die im Land anrichten.«
»Aber er war ein sehr guter Schriftsteller«, protestierte Mrs. Featherstone, eine Dame in den Dreißigern, deren enggeschnürte Figur verriet, daß sie unablässig darum kämpfte, ihr Körpergewicht mehr der Feder im ersten Teil ihres Namens anzupassen als dem Stein im letzten. »Seine Bücher sind von ausgesprochen gallischer Kühnheit und Strenge.
Kühnheit ist ja nichts Seltenes – aber diese vollendete Knappheit im Stil ist eine Gabe, die –«
»Na ja, wenn man für Schmutz was übrig hat«, unterbrach der Offizier sie ziemlich ungezogen.
»So würde ich das nicht nennen«, sagte Mrs. Featherstone.
»Gewiß, er ist ziemlich frei, und das verzeihen ihm die Leute hierzulande nicht. Das ist unsere typisch englische Heuchelei. Aber die Schönheit seiner Sprache hebt doch alles auf eine höhere Ebene.«
»Ich möchte diesen Schund jedenfalls nicht im Haus haben«, sagte der Hauptmann bestimmt. »Ich habe Hilda einmal damit erwischt und ihr gleich gesagt: ›Dieses Buch schickst du sofort in die Bücherei zurück!‹ Ich mische mich ja selten ein, aber irgendwo muß man eine Grenze ziehen.«
»Woher wußten Sie, was es für ein Buch war?« erkundigte Wimsey sich unschuldig.
»Also, James Douglas’ Besprechung im Express hat mir gereicht«, sagte Hauptmann Bates. »Die Passagen, die er zitiert hat – Dreck, sage ich, absoluter Dreck.«
»Wie gut, daß wir sie alle gelesen haben«, meinte Wimsey.
»Wer gewarnt ist, ist gewappnet.«
»Wir müssen der Presse ja wirklich sehr dankbar sein«, sagte die Herzoginwitwe. »Es ist so lieb von den Zeitungsleuten, für uns die Rosinen herauszupicken und uns die Mühe zu ersparen, die Bücher selbst zu lesen, nicht wahr, und wie gut für die lieben Armen, die sich die siebeneinhalb Shilling nicht leisten können, oder nicht einmal die Gebühren für eine Leihbücherei, obwohl die ja sehr niedrig sind, besonders wenn einer ein schneller Leser ist. Die billigen Büchereien haben solche Bücher allerdings nicht, ich habe nämlich mein Mädchen danach gefragt, so ein kluges Geschöpf, und immer bestrebt, etwas dazuzulernen, was ich von den meisten meiner Bekannten nicht sagen kann, aber ohne Zweifel ist das alles auf die kostenlose Schulbildung für das Volk zurückzuführen, und ich habe sie insgeheim im Verdacht, daß sie Labour wählt, obwohl ich sie nie danach gefragt habe, weil ich das nicht fair fände, und selbst wenn ich es wüßte, dürfte ich ja nicht einmal etwas dazu sagen, nicht wahr?«
»Ich glaube aber nicht, daß die junge Frau ihn deswegen ermordet hat«, erklärte ihre Schwiegertochter. »Nach allem, was man so hört, war sie genauso schlecht wie er.«
»Ich bitte dich, Helen«, sagte Wimsey, »so darfst du wirklich nicht denken. Mein Gott, sie schreibt Detektivgeschichten, und in Detektivgeschichten siegt immer das Gute. Das ist die sauberste Literatur, die wir haben.«
»Der Teufel ist immer schnell mit einem Bibelspruch bei der Hand, wenn er ihm in den Kram paßt«, erwiderte die junge Herzogin, »und wie man hört, gehen die Bücher dieses schlechten Frauenzimmers weg wie warme Semmeln.«
»In meinen Augen«, sagte Mr. Harringay, »ist das Ganze ein Werbetrick, der schiefgegangen ist.« Er war ein großer Mann, leutselig, ungeheuer reich und mit der Londoner Geschäftswelt auf gutem Fuß. »Man weiß nie, auf was diese Werbeleute so alles kommen.«
»Na, aber diesmal wird die Gans, die die goldenen Eier legt, aufgehängt«, meinte Hauptmann Bates mit lautem Lachen. »Falls Wimsey nicht wieder mit
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