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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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natürlich eine Möglichkeit.«
    »Und die bloße Tatsache, daß du von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machst – verstehe schon. Würde es was nützen, wenn ich ihn auf echt viktorianische Weise nach seinen Absichten fragte?«
    »Warum hast du’s plötzlich so eilig, dir deine Familie vom Hals zu schaffen, Peter? Man behandelt dich doch nicht etwa schlecht?«
    »Nein, nein. Ich fühle mich nur gerade ein bißchen als gütiger Onkel. Das macht das Alter. Dieser Drang, sich nützlich zu machen, der auch die Besten von uns befällt, wenn wir die Blüte überschritten haben.«
    »Wie ich mit meinem Dekorationsgeschäft. Dieser Pyjama ist übrigens ein Entwurf von mir. Findest du ihn nicht lustig? Aber ich fürchte, Chefinspektor Parker zieht altmodische Nachthemden vor, wie dieser Dr. Spooner oder wer das war.«
    »Das wäre ein harter Schlag«, meinte Wimsey.
    »Nicht so schlimm. Ich werde mich tapfer fügen. Hier und jetzt werfe ich meinen Pyjama für immer ab!«
    »Nein nein!« rief Wimsey. »Nicht hier und jetzt. Nimm ein bißchen Rücksicht auf die Gefühle eines Bruders. Also gut. Ich soll meinen Freund Charles Parker ausrichten, wenn er seine angeborene Bescheidenheit über Bord wirft und dir einen Antrag macht, wirst du deine Pyjamas über Bord werfen und ja sagen.«
    »Es wird ein schwerer Schock für Helen sein, Peter.«
    »Bleib mir mit Helen vom Leibe! Ich sage dir, das ist noch nicht der größte Schock, den sie erlebt.«
    »Peter, du führst etwas Teuflisches im Schilde. Na schön, wenn du meinst, ich soll ihr den ersten Schlag versetzen, damit sie sich nach und nach daran gewöhnt – ich tu’s.«
    »Abgemacht!« sagte Wimsey gleichmütig.
    Lady Mary schlang ihm einen Arm um den Hals und bedachte ihn mit einer ihrer seltenen schwesterlichen Liebkosungen.
    »Du bist eigentlich ein ganz anständiger alter Idiot«, sagte sie, »aber du siehst sehr mitgenommen aus. Geh zu Bett.«
    »Raus mit dir«, sagte Lord Peter liebenswürdig.

13. Kapitel
    Miss Murchison fühlte eine leichte Erregung in ihrem wohlgeordneten Herzen, als sie an Lord Peters Wohnungstür läutete. Das lag nicht etwa an seinem Titel oder seinem Reichtum oder seinem Junggesellenstand, denn Miss Murchison war ihr Lebtag berufstätig gewesen und hatte schon Junggesellen jeder Art besucht, ohne sich irgend etwas dabei zu denken. Aber Lord Peters Briefchen war doch recht aufregend gewesen.
    Miss Murchison war achtunddreißig Jahre alt und nicht gerade hübsch. Sie hatte zwölf Jahre lang bei ein und demselben Finanzmakler gearbeitet. Es waren alles in allem ganz gute Jahre gewesen, und erst in den letzten beiden hatte sie zu ahnen begonnen, daß dieser brillante Finanzmann, der mit mancherlei spektakulären Unternehmungen jonglierte, unter immer schwierigeren Umständen um sein Leben jonglierte. Je schärfer das Tempo wurde, desto mehr Eier warf er denen, die schon in der Luft wirbelten, noch nach. Doch die Zahl der Eier, mit denen menschliche Hände jonglieren können, ist begrenzt. Eines Tages entglitt ihm eines und zerbrach – dann ein zweites – und dann war alles nur noch Rührei. Der Jongleur verließ fluchtartig die Bühne und setzte sich ins Ausland ab, sein Assistent jagte sich eine Kugel in den Kopf, das Publikum buhte, der Vorhang fiel, und Miss Murchison war mit siebenunddreißig Jahren arbeitslos.
    Sie hatte eine Anzeige in die Zeitung gesetzt und auf viele andere geantwortet. Die meisten Stellenanbieter schienen jedoch junge und billige Sekretärinnen zu suchen. Es war entmutigend.
    Dann bekam sie auf ihre eigene Anzeige eine Zuschrift von einer Miss Climpson, die ein Schreibbüro leitete.
    Es war nicht unbedingt das, was sie suchte, aber sie ging hin. Und dann stellte sie fest, daß dies eigentlich gar kein Schreibbüro war, sondern etwas sehr viel Interessanteres.
    Lord Peter Wimsey, der geheimnisvolle Mann im Hintergrund, hatte sich gerade im Ausland befunden, als Miss Murchison in das »Katzenhaus« eintrat, und bis vor ein paar Wochen hatte sie ihn nie zu Gesicht bekommen. Jetzt würde sie zum erstenmal mit ihm sprechen. Er sah komisch aus, fand sie, aber es hieß, er habe Köpfchen. Jedenfalls – Die Tür wurde von Bunter geöffnet, der sie schon erwartet zu haben schien und sie unverzüglich in ein mit Bücherregalen ausgekleidetes Wohnzimmer führte. An den Wänden hingen ein paar schöne Drucke, auf dem Boden lag ein Aubusson-Teppich, darauf standen ein Flügel, ein großes Chesterfield-Sofa und einige tiefe,

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