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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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powderpost beetles, deren Lebenszweck darin besteht, Holzhäuser aufzufressen. Mr. Higgins muss während seiner Laufbahn bei »Terminix« trotz Schutzmaske reichlich von dem Giftstoff eingeatmet haben, denn er ist sehr vergesslich und erscheint zu den unmöglichsten Zeiten und in dem Glauben, vorher angerufen zu haben.
    Hat er aber nie.
    Die Frau hat ihn obendrein gewiss ein Dutzend Mal gebeten, auch etwas gegen Ameisen mitzubringen, weil sich ganze Straßen durch die Küche bis ins Bücherzimmer ziehen, wo Rudi seinen Käfig hat. Summa summarum müssen wir inklusive Rudi mehrere Tausend Haustiere haben. Von denen vor der Tür ganz zu schweigen. Die Streifenhörnchen-Population ist ungeachtet der fast täglichen Besuche von »Bad Cat« stattlich, unter der Terrasse wohnt ein Waschbär, dessen Augen im Dunkeln leuchten, im Sommer steht gelegentlich eine sechsköpfige Reh-Familie im Garten, in der als Garage fungierenden Gummihütte logierte zeitweilig ein Stinktier, das aber, dem Geruch nach zu urteilen, irgendwann das Zeitliche gesegnet haben muss. Danach zog ein Fuchs ein. Über dem Haus kreisen Falken, und in einer Sommernacht machte ein Braunbär im Garten Jagd auf ein undefinierbares Tier, das zunächst qualvolle Geräusche von sich gab und dann keinen Piep mehr.
    Die Töchter konnten sich über Tiermangel in Amerika nie beklagen; wir hatten mehr als reichlich davon. Darunter die exotischsten Insekten und Grillen, groß wie kleinere Singvögel in Deutschland.
    Ich habe mich an Rudi gewöhnt und würde es heute nicht mehr wagen, beim Mexikaner Kaninchen zu bestellen. Gute Freunde von uns zogen vor Jahren zurück nach Deutschland, auch sie Besitzer von zwei Hasen, die im Gegensatz zu unserem Haus-Hasen aber im Garten lebten. Kurz vor dem Rückflug starben die Nager auf sonderbarste Weise durch Blitzschlag oder Herzinfarkt nach Blitzschlag; so lautete die offizielle Version. Es war ein furchtbar trauriger Tag für ihre Kinder. Die Tiere wurden im Rahmen einer kleinen Prozession feierlich beigesetzt. Aber mich interessierte nur, wie unser Freund Martin es geschafft hatte, einen Blitzschlag zu bestellen, der punktgenau drei Tage vor dem geplanten Abflug beide Tiere auf einen Streich dahinraffen würde. Ich wandte mich mehrmals an ihn, ich nahm ihn beiseite, »unter uns, wie hast du's gemacht?«, aber Martin blieb bei der offiziellen Version, Tod durch Stromschlag, und er wohnte sogar der Trauerfeier bei.
    Kurz nach der Doppelbestattung hatten wir lieben Besuch und kamen auf Rudi zu sprechen, der rücklings auf einem roten Kissen liegend wie eine Trophäe durchs Haus getragen wurde. Unser Gast fragte: »Wenn ihr nach Deutschland zieht, nehmt ihr ihn mit, oder machst du's wie Martin?« Er rechnete die Überführungsgebühren hoch und die Impfkosten und das Ticket und sagte, dass rein ökonomisch ein Hasen-Rücktransport der komplette Irrsinn sei. Ich lauschte interessiert. Die ältere Tochter hatte aus einiger Distanz unsere Diskussion verfolgt, nichts hören können, aber offenbar Gedanken gelesen. Sie hatte zwar längst ihre »Ich-will-Tierarzt-werden«-Phase abgeschlossen, aber immer noch ein Herz für Tiere, bis auf Insekten. Sie guckte mich prüfend an und sprach »Don't even think about it«.
    Rudi muss mit. Koste es, was es wolle. Es sei denn, ein Blitz kommt aus heiterem Himmel.



»It’s a BLIZZARD!«
Wecker, Wetter und Lauschangriff
    Das Wetter in Amerika beginnt morgens Punkt halb sieben mit einem entsetzlichen Schrei. Es ist ein Krähen aus einem gelben Wecker »made in China«, und der chinesische Hahn hört sich so an, als würde er jeden Morgen vorm Schreien in einer Legebatterie oder Guantanamo gefoltert. Man steht jeden Morgen um Punkt halb sieben senkrecht im Bett, mag aber den Folter-Wecker deshalb nicht entsorgen, weil er ein Geburtstagsgeschenk der jüngeren Tochter ist, an unseren ersten großen Urlaub erinnern soll und immerhin seinen Zweck erfüllt: Verschlafen unmöglich oder nur nach extremer Alkoholverköstigung. Der erste Blick aus müden Augen schweift aus dem Fenster, und da ist es: das Wetter. Jeden Morgen, absolut zuverlässig zu jeder Jahreszeit. Denn anders als in, sagen wir, Oer-Erkenschwick oder Hamburg, wo das Wetter um diese Zeit noch schlaftrunken zwischen Dunkelheit und modriger Feuchtigkeit mäandert, ist das Wetter in Amerika um halb sieben schon aufgestanden und hellwach. Man könnte glatt den Wecker nach dem Wetter stellen. Meistens scheint im Übrigen die Sonne. Und wenn

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