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Starters

Starters

Titel: Starters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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und sich mit auffälligem Schmuck behängt hatten. Die moderne Medizin konnte die Lebensspanne der Enders auf zweihundert Jahre ausdehnen, aber sie konnte sie offenbar nicht davon abhalten, Modesünder zu werden. Die Gruppe betrat ein Restaurant. Als sich die Tür öffnete, stieg mir der Geruch von Eiern mit Schinkenspeck in die Nase. Mein Magen knurrte.
    Diese reichen Enders taten, als sei nie Krieg gewesen. Am liebsten hätte ich sie geschüttelt. Habt ihr das alles schon vergessen? Die Schlachten an der Pazifikküste, die zu keiner Entscheidung führten? Die neue Taktik des Feindes, mit Sporen gefüllte Gefechtsköpfe einzusetzen? Und unseren brutalen Gegenschlag mit EMP -Waffen, die ihre Computer, ihre Flugzeuge und natürlich ihre Börsenmärkte zum Absturz brachten?
    Wir hatten Krieg, Leute. Einen Krieg, den keiner gewann. Nicht wir und nicht die Pazifikstaaten. Innerhalb eines Jahres hatte sich das Gesicht Amerikas völlig verändert: Nun gab es nur noch ein paar verstreute Starters wie mich in einem Meer silberhaariger Enders, die sehr reich, sehr gut genährt und sehr vergesslich waren.
    Nicht alle gehörten zu den unermesslich Reichen, aber keiner von ihnen war so arm wie wir, die weder arbeiten noch wählen durften. Dieser Trend hatte sich schon vor dem Krieg angekündigt, aber nun, da die Alten weit in der Überzahl waren, ließ sich die Entwicklung nicht mehr aufhalten. Ich hasste es, über den Krieg nachzudenken.
    Ich kam an einer Pizzeria vorbei. Geschlossen. Doch das Hologramm im Fenster sah zum Anbeißen aus, mit blubberndem Käse. Das ausströmende künstliche Aroma wirkte zu echt. Ich dachte mit Sehnsucht an den würzigen Geschmack von Tomatensauce und heißem, halb zerlaufenem Mozzarella. Was mir fehlte, war nicht nur Essen, sondern vor allem heißes Essen.
    Als ich den Sitz von Prime Destinations erreichte, zögerte ich. Das Unternehmen war in einem freistehenden, fünf Stockwerke hohen Gebäude mit silbern verspiegelten Fenster- und Türfronten untergebracht. Ich betrachtete mich in der Fassade des Haupteingangs. Zerfetzte Klamotten, rußverschmiertes Gesicht, umrahmt von wirren Strähnen. War ich noch irgendwo darunter, ich selbst? Mein Spiegelbild verschwand, als der Wachmann die Tür öffnete. »Schön, Sie wiederzusehen.« Er grinste unverhohlen.
    Während ich am Empfang auf Tinnenbaum wartete, bemerkte ich in einem offen stehenden Konferenzraum jenseits der Eingangshalle zwei streitende Männer. Einer von ihnen war Tinnenbaum. Den anderen konnte ich nur von hinten sehen. Er war groß und trug einen eleganten schwarzen Wollmantel. Unter seinem weichen Filzhut lugten ein paar Zentimeter Silberhaar hervor. Er schlug sich mit den Handschuhen mehrmals in eine Hand, ehe er sie so heftig gegen die Tischkante rammte, dass Tinnenbaum zusammenzuckte.
    Kurz darauf verschwand er aus meinem Blickwinkel. Der hochgewachsene Mann jedoch blieb und starrte wütend in eine Vitrine mit elektronischem Zubehör. Ich konnte seine Züge in der Glasscheibe nicht deutlich ausmachen, aber ich hatte das Gefühl, dass er mich besser sah als ich ihn. Ich spürte ein Prickeln im Nacken. Er starrte mich unverwandt an, so als würde er mich mit Blicken vermessen.
    Warum?
    In diesem Moment kam Tinnenbaum allein aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich. Er hatte dieses abartige Grinsen wiedergefunden, das sein Markenzeichen zu sein schien.
    »Callie. Ich hatte gehofft, dass wir Sie wiedersehen würden.« Er reichte mir die Hand. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie warten ließ, aber das war mein Boss.« Er deutete mit dem Kinn auf den Konferenzraum.
    »Schon okay. Er ist sicher ein bedeutender Mann.«
    »Man könnte sagen, dass er Mr. Prime Destinations höchstpersönlich ist.« Er machte mit dem freien Arm eine weit ausholende Geste. »Das alles hier ist sein Baby.«
    Ich folgte ihm in sein Büro und nahm ihm gegenüber am Schreibtisch Platz, während er seinen Airscreen einschaltete. Mein Blick schweifte nach rechts, und ich fragte mich, ob das gerahmte Bild in Wahrheit ein Überwachungsfenster war.
    »Und wer, sagten Sie, empfahl Ihnen unser Unternehmen?«
    »Dennis Lynch.«
    »Woher kennen Sie ihn?«
    »Er war ein Klassenkamerad. Vor dem Krieg.«
    Er sah mich an, als erwartete er mehr.
    »Nach dem Krieg begegnete ich ihm zufällig auf der Straße. Er erzählte mir von Ihrem Institut.«
    Ich erwähnte nicht, dass Dennis ebenfalls zur Hausbesetzer-Szene gehörte. Tinnenbaum wusste, dass ich illegal wohnte, aber ich

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