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Starters

Starters

Titel: Starters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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wollte ihm das nicht unbedingt schwarz auf weiß geben.
    Meine Auskunft schien ihn zufriedenzustellen. »Und in welchen Sportarten sind Sie besonders gut?«
    »Bogenschießen, Fechten, Schwimmen und Schießen.«
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Schießen?«
    »Mein Vater kannte sich mit Waffentechnik aus. Er war im Science Corps und ein guter Sportschütze. Er brachte mir das Schießen bei.«
    »Er ist tot?«
    »Ja. Meine Mutter auch.«
    »Sie haben auch sonst keine Angehörigen mehr?«
    »Ganz recht.« Blöde Frage. Würde ich auf der Straße leben, wenn ich Großeltern hätte?
    Er nickte und klopfte mit den Fingerspitzen auf die Schreibtischplatte. »Nun, dann wollen wir mal sehen, wie gut Sie sind.«
    Ich rührte mich nicht vom Fleck.
    »Oder haben Sie noch irgendwelche Fragen?«
    Allerdings. »Und wenn ich nun geschnappt werde? Wegen Schwarzarbeit?«
    Er lächelte. »Von Arbeit kann hier nicht die Rede sein. Sie erweisen uns einen kleinen Gefallen. Im Schlaf, wohlgemerkt. Das Geld, das Sie von uns bekommen, ist deshalb auch kein Gehalt, sondern ein Stipendium.« Er schob seinen Stuhl zurück. »Keine Sorge. Dieses Abkommen ist für beide Seiten von Vorteil. Wir brauchen Sie, und Sie brauchen uns. Nun lassen Sie uns erfahren, wie Sie in Form sind.«
    Mr. Tinnenbaum stellte mich einer Frau namens Doris vor, die mich unter ihre Fittiche nehmen sollte. Sie hatte das Silberhaar der Enders, aber den Körper einer Ballerina. Im Gegensatz zu den meisten anderen war sie modebewusst, kombinierte sie den Retro-Look mit Stilelementen der Avantgarde. Ihr Kostüm war ein Klassiker der Vierzigerjahre, doch dazu trug sie einen Gürtel, der ihre winzige Taille noch schmaler aussehen ließ. Dafür hatte sie sich garantiert ein paar Rippen entfernen lassen.
    Sie prüfte mich im Schwimmen, Fechten und Bogenschießen und testete nebenbei Muskelkraft, Ausdauer und Gelenkigkeit. Mein Wort genügte ihnen nicht. Es konnte ja sein, dass es sich eine ihrer Ender-Kundinnen in den Kopf gesetzt hatte, einen Fechtwettbewerb zu gewinnen.
    Was noch ausstand, war das Zielschießen. Dafür waren sie nicht ausgerüstet, und so mussten wir uns außer Haus begeben. Eine Limousine brachte Tinnenbaum und mich zu einem zwanzig Minuten entfernten Schießstand. Eingesperrt in den engen Fond des Wagens, begann er die Nase zu rümpfen und zu husten, um sich schließlich ein Taschentuch vor das Gesicht zu halten.
    Vermutlich litt er unter meinem Duft der Straße. Dafür wurde mir fast schlecht von seinem gefakten Herrenparfum. Während der ganzen Fahrt schaute er mich nicht einmal an, sondern starrte unverwandt auf seinen Mini-Airscreen.
    Erst auf dem Schießstand konnte ich Tinnenbaums Aufmerksamkeit gewinnen, als mir der Betreuer der Anlage ein Gewehr in die Hände drückte und ich mich plötzlich um drei Jahre zurückversetzt fühlte. Ich war dreizehn gewesen, und mein Vater hatte damals das Gleiche getan.
    Ich hatte protestiert, dass das Gewehr zu groß und schwer für mich sei. Ich wollte nicht zugeben, dass ich Angst hatte und viel lieber mit ihm zum Angeln oder in die Berge gegangen wäre.
    »Cal, mein Mädchen, hör mir genau zu«, hatte mein Dad gesagt.
    Wann immer er mich so nannte, wusste ich, dass die Sache ernst war.
    »In unserem Land herrscht Krieg«, fuhr er fort. »Du musst lernen, dich selbst zu schützen. Dich und Tyler.«
    »Aber bei uns gibt es keinen Krieg, Dad«, widersprach ich.
    In jenen Tagen spielte sich der Krieg noch überwiegend draußen im Pazifik ab. Aber die Antwort meines Vaters zeigte, dass er bereits damals ahnte, wie es weitergehen würde.
    »Noch nicht, Cal«, sagte er. »Aber er rückt näher.«
    Zwei Jahre später sollten die Sporenkriege uns alle verändern.
    Unter Tinnenbaums skeptischen Blicken richtete ich mich auf und brachte das Gewehr in Position. Ich kniff ein Auge zu und visierte mit dem anderen eine Zielscheibe mit menschlichem Umriss an. Dann schloss ich beide Augen und öffnete sie rasch wieder. Digital-Visier und Ziel stimmten immer noch haarscharf überein. Ich atmete ein und drückte ab.
    Die Kugel durchschlug den roten Kreis mitten auf der Stirn. Der Schießmeister nickte mir zu, und ich feuerte ein zweites Mal. Die Kugel traf genau in das erste Loch. Tinnenbaum starrte mich an, als vermutete er irgendeinen Trick. Die übrigen Schützen am Stand, alle Enders, unterbrachen ihr Training und beobachteten verblüfft, wie ich weiterhin jedes Mal traf.
    Anschließend beeindruckte ich meine Bewunderer noch

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