Starters
abstoßend süßlicher Geruch stieg mir in die Nase.
Wo war ich?
Ich schlug die Augen auf. Dumpfe Beleuchtung und eine gekippte Welt. Ich lag seitlich auf dem Boden. Als ich mich aufzurichten versuchte, landete meine Handfläche in einer klebrigen Pfütze. Ich roch an meinen Fingern. Ananas.
Laserblitze durchzuckten das Halbdunkel. In den kurzen Momenten der Helligkeit sah ich Menschen, die mit den Armen fuchtelten und zu fliehen versuchten. Aber irgendetwas hielt sie zurück.
Dann merkte ich, dass sie tanzten. Zu sehr lauter Musik.
Ein Paar glänzender, lacklederner Stilettos kam näher. Ich spürte die Schwingungen, die den Boden bei jedem Schritt erschütterten.
Die Trägerin der hohen Absätze kniete neben mir nieder. »Alles okay?«, schrie sie über den Lärm hinweg.
»Ich weiß nicht.« Mein Schädel pochte.
»Was?«
»Ich bin nicht sicher«, schrie ich zurück. Das Gebrüll verstärkte meine Kopfschmerzen.
Sie fasste meine Schultern, um mich nach oben zu ziehen. »Hoch mit dir.«
Sie war etwa so alt wie ich, mit einem blonden, asymmetrisch geschnittenen Bob, der ein Auge bedeckte. Ihr Glitzerkleid war so kurz, dass es auch als Bluse durchging. Sie führte mich in eine Ecke des Raums, wo die Musik nicht so laut hämmerte.
»Wo bin ich?«
»Na, im Rune Club«, sagte sie. »Sag bloß, du erinnerst dich nicht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wie kam ich hierher?«
»Du hast zu viel getrunken. Ich besorge dir am besten einen Kaffee.«
»Nein, bleib hier.« War ich wirklich betrunken, oder hatte mein Zustand andere Ursachen? Panik schnürte mir die Kehle zu, und ich umklammerte ihren Arm wie einen Rettungsanker.
»Setz dich erst mal.«
Sie stützte mich, als ich auf meinen ebenfalls sehr hohen Absätzen durch den Raum stolperte. Ich blickte an mir hinunter. Auch ich trug ein kurzes Partykleid, das sich kühl wie Metall an meine Haut schmiegte. Und meine Schuhe, natürlich Stilettos, waren Modelle, wie ich sie bisher nur bei Stars in Magazinen gesehen hatte.
Sie blieb vor einem Zweisitzer ganz hinten an der Wand stehen, schob mir den Riemen meines Handtäschchens über die Schulter und bugsierte mich in die weichen Samtpolster. Ich hatte fast vergessen, wie bequem solche Sitzmöbel sein konnten.
Die Musik verstummte. Ich hatte zu Hause hin und wieder alte Filme mit Szenen aus einem Nightclub gesehen, war aber selbst nie in einem gewesen. Es verblüffte mich, dass sie überhaupt noch existierten, insbesondere für Jugendliche. Waren sie der Treffpunkt reicher Starters?
»Du siehst schon viel besser aus.« Sie lächelte mich an.
Von der Bar sickerte blaues Neonlicht zu uns herüber. Selbst in diesem wenig schmeichelhaften Schein sah meine Retterin umwerfend aus.
»Du machst das noch nicht lange, stimmt’s?«, fragte sie.
»Was?«
»Sorry, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Madison.«
»Callie.«
»Hübscher Name. Magst du ihn?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Denke schon.«
»Meiner gefällt mir auch. Freut mich, dich kennenzulernen, Callie.« Sie streckte mir die Hand entgegen, was ich seltsam fand, aber ich nahm sie. »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Du bist zum ersten Mal hier, nicht wahr?«
Ich nickte.
Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war die Narkosemaske. Ich hätte im Ruheraum der Body Bank aufwachen müssen, nicht hier. Was mochte geschehen sein? Ich war einer Panik nahe, aber der letzte Rest Vernunft hielt mich davon ab, Prime Destinations zu erwähnen. Ich musste so tun, als gehörte ich hierher.
»Schicker Fummel«, sagte Madison und strich über das Material meines Minikleids. »Es macht solchen Spaß, sich endlich mal wieder aufzustylen, stimmt’s? Und sich in einem Laden wie dem Rune Club zu vergnügen. Jedenfalls weit besser, als jeden Samstagabend mit dem Häkelzeug im Schaukelstuhl zu sitzen und sich die x-te Wiederholung eines alten Films anzugucken.« Sie blinzelte und stieß mich mit dem Ellbogen an. »Bei dir ist es vielleicht Mahjong. Oder Bridge.«
»Tja.« Ich ließ meinen Blick lächelnd umherwandern. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
»Callie, Liebes, bei mir musst du dich nicht verstellen.«
Ich blinzelte.
»Man kriegt einen Blick für seinesgleichen. Und du hast sämtliche Tests bestanden.« Madison zählte an den Fingern ab: »Keine Tattoos, keine Piercings, keine Neon-Haarfarbe.« Dann deutete sie auf mich, um den Rest ihrer Argumente abzuarbeiten. »Teure Klamotten, edler Schmuck, gute Manieren und makellose
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