Starters
lief hier total aus dem Ruder. Ich verspürte Atemnot.
Die Stimme hatte weiblich geklungen. Ich atmete ganz langsam ein und aus, um mich zu beruhigen, aber auch, um besser hören zu können.
Der Lärm auf der Tanzfläche dämpfte meine Wahrnehmung. Ich presste die Zeigefinger in die Ohren und lauschte, vernahm aber nur das Hämmern der Musik. Es wurde nur durch meinen eigenen Herzschlag abgelöst. Auf diese Weise würde ich es jedenfalls nicht schaffen, das Entsetzen abzuschütteln, das mich beim Klang der fremden Stimme in meinem Gehirn befallen hatte.
»Alles in Ordnung?« Das war er. Der Typ in dem blauen Hemd, durch und durch Teen, wie Madison behauptet hatte. Er sah mich besorgt an.
Was hatte er gefragt? Ob alles in Ordnung war. Ich bemühte mich, meine Panik in den Griff zu bekommen.
»Ja. Vielen Dank.« Ich zerrte an meinem Kleid, ein ebenso lahmer wie vergeblicher Versuch, meine Schenkel zu bedecken.
Aus der Nähe sah er noch besser aus, mit attraktiven Grübchen in den Wangen, wenn er lächelte. Aber ich hatte keine Zeit für diese Ablenkung. Ich musste darauf achten, ob die Stimme zurückkam. Er stand einfach da und starrte mich an, während ich nach innen lauschte.
In meinem Kopf herrschte Stille. Hatte ich mir die Geschichte doch eingebildet, weil ich so durcheinander war, so verblüfft darüber, dass ich an diesem Ort das Bewusstsein wiedererlangt hatte? Oder hatte dieser Typ die Stimme verscheucht?
Das schwarze Jackett von Mr. Grübchen wirkte sehr exklusiv. Ich dachte an Madisons Urteil hinsichtlich seines Alters und stand auf, um ihn mithilfe der Checkliste noch genauer zu begutachten.
Keine Tattoos, Piercings oder abartige Haarfarbe: check. Teure Kleidung: check. Schmuck: War das Ding an seinem Handgelenk eine Designeruhr? Manieren: check. Und makelloses Aussehen.
Ah, aber jetzt. Da hatten wir es. Dicht vor ihm stehend, entdeckte ich an seinem Kinn eine etwa drei Zentimeter breite Narbe. Die hätte Doris nie und nimmer durchgehen lassen.
»Ich sah dich umkippen.« Er streckte mir ein feuchtes Handtuch entgegen. »Deshalb habe ich dir das hier aus dem Waschraum besorgt.«
»Danke.« Ich presste es an die Stirn und sah ein Lächeln über seine Züge huschen. »Was ist so komisch?«
»Na ja, eigentlich war das nicht für dein Gesicht bestimmt.« Er nahm mir das Handtuch sanft ab und säuberte damit meinen Arm.
»Ich bin ausgerutscht«, erklärte ich. »Irgendein Idiot hat seinen Drink verschüttet. Und mit diesen Absätzen …«
Er musterte meine Schuhe und bedachte mich erneut mit einem Lächeln, das seine Grübchen betonte. »Klasse Absätze.«
Sein offensichtliches Interesse brachte mich so durcheinander, dass ich verlegen den Blick abwandte. Ein Typ wie er, reich und gutaussehend, schenkte seine Aufmerksamkeit einem Gossenkind? Dann huschte mein Abbild in einer verspiegelten Säule an mir vorüber und schleuderte mich jäh in die neue Wirklichkeit. Ich hatte völlig vergessen, dass ich wie ein Megastar aussah.
Als ich aufsah, entdeckte ich Madison, die immer noch an der Theke stand und versuchte, den Ender-Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen, der offenbar schwerhörg war.
Mr. Grübchen folgte meinem Blick. Er legte das Handtuch auf einem Beistelltisch ab.
»Ist das deine Freundin?«, wollte er wissen.
»Mehr oder weniger.«
Er hielt einen Finger hoch, als versuchte er sich zu erinnern. »Sie heißt Madison, nicht wahr?«
Ich nickte.
»Wir haben uns vorhin unterhalten«, sagte er. »Ein komisches Gespräch irgendwie.«
»Inwiefern?«
»Sie stellte mir jede Menge Fragen.«
»Was für Fragen denn?«
»Über Geschichte, ob du es glaubst oder nicht. Wollte Dinge wissen, die zwanzig oder dreißig Jahre zurückliegen. Ich meine, hast du eine Ahnung, welcher Film vor Urzeiten zehn Oscars gewann?«
Ich kniff die Augen zusammen und versuchte mich zu erinnern, ob mein Dad das je erwähnt hatte. Er hätte so etwas bestimmt gewusst. Ich zuckte mit den Schultern.
»Siehst du, du bist auch ahnungslos«, sagte er. »Allem Anschein nach habe ich Madisons Test nicht bestanden und bin jetzt unten durch. Jedenfalls ließ sie mich stehen, als ich ihre Fragen nicht beantworten konnte. Aber schließlich bin ich zum Tanzen hergekommen und nicht als Quiz-Kandidat.« Er sah seine Füße und dann mich an. »Möchtest du vielleicht …?«
»Ich?« Jetzt erst merkte ich, dass die Musik wieder eingesetzt hatte, etwas leiser und langsamer als zuvor. »Nein. Ich kann nicht tanzen.«
»Klar
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