Starters
verschloss das Holzkästchen. Nachdenklich starrte ich den Schreibtisch an. Vielleicht enthielt er Dinge, die mir mehr über Mrs. Winterhill verrieten. In der seitlichen Schublade fand ich nur Stifte und Notizblöcke. Aber im Mittelfach entdeckte ich eine Silberschatulle, wie sie für Geschäftskarten benutzt wurden. Ich öffnete sie.
»Helena Winterhill« stand auf den Karten. Das Hologramm war das gleiche wie auf dem Schreibtisch. Ich nahm zwei der Karten heraus und schob sie in mein Portemonnaie.
Helenas Handy summte. Ich warf einen Blick darauf. Jemand hatte eine Zing geschickt.
Ich weiß, was du vorhast , las ich. Tu es nicht! TU ES NICHT !
Wer war das? Eine Freundin von Helena, die von ihrem Ausflug in die Jugend erfahren hatte? Enders konnten so moralisierend sein.
Oder hatte das etwas mit der Stimme zu tun?
Ich versenkte das Handy wieder in meiner Tasche. Ich wollte fort von hier, und zwar möglichst, ohne der Haushälterin zu begegnen. Ich entriegelte die Schlafzimmertür und warf einen Blick in den Korridor. Niemand zu sehen. Leise machte ich die Tür zu und schlich die Treppe hinunter.
Als ich den Absatz auf halber Höhe erreicht hatte, sah ich, dass mich die Haushälterin bereits in der Empfangshalle erwartete. Sie hielt eine Gießkanne in der Hand, die sie nun neben dem Blumenarrangement abstellte.
»Guten Morgen, Mrs. Winterhill.« Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, die sie über einer Hemdbluse und einer schlichten schwarzen Hose trug.
Jetzt gab es keinen Ausweg mehr. »Guten Morgen.« Ich kam die Treppe herunter.
Es gelang mir nicht, auf Anhieb auszuloten, welche Tür zum Garageneingang führte.
»Das Frühstück steht bereit«, sagte sie.
»Ich habe keinen Hunger. Ich möchte in die Stadt.«
»Keinen Hunger?« Ihrer Mimik nach zu schließen, war dieser Satz sehr untypisch für Mrs. Winterhill. »Sind Sie krank? Soll ich den Arzt anrufen?«
»Nein, nein. Mir geht es gut.«
»Dann müssen Sie zumindest etwas Kaffee und Saft zu sich nehmen – um die Vitamine zu schlucken.«
Sie wandte sich ab, und ich folgte ihr den Korridor entlang in eine Profiküche. Ähnlich wie das Bad war sie hochmodern eingerichtet und wich damit vom altertümlichen Stil des übrigen Hauses ab.
Der Duft von Zimt durchwehte die Küche und brach mir fast das Herz. Er erinnerte mich an die glücklichen Wochenenden daheim, wenn wir uns zu einem ausgiebigen Frühstück getroffen hatten. Die Haushälterin hatte an einem Tresen, der wie eine Insel mitten im Raum stand, für mich aufgedeckt. In einer Schale aus Massivsilber türmte sich Obst, darunter meine Lieblingsfrucht Papaya. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.
Ich setzte mich und breitete die Serviette auf den Knien aus. Die Haushälterin hatte mir den Rücken zugewandt und hantierte eifrig am Herd herum. Ich warf einen Blick nach rechts und entdeckte einen kurzen Korridor, der zu einer Tür führte. War das der Ausgang zur Garage? Die Frau kam mit einer Pfanne zu meinem Essplatz und lud mir eine Portion French Toast auf den Teller. Es war so lange her, seit ich richtigen French Toast gesehen hatte. Sie brachte ein Siebgefäß und streute Puderzucker darüber, genau wie es meine Mutter gemacht hatte.
Mir knurrte der Magen. Ich wusste nicht, wann Mrs. Winterhill zuletzt gegessen hatte, aber es schien eine ganze Weile her zu sein. Die Haushälterin hatte Vitamine erwähnt. Interessant, dass meine Mieterin so großen Wert darauf legte, ihren »Leih«-Körper optimal zu versorgen.
Alles schmeckte phantastisch, so rein und frisch. Der aus Tropenfrüchten gepresste Saft war wie Ambrosia. Zu meiner Begeisterung stand ein ganzer Krug bereit, denn ich hatte wirklich enormen Durst. Ich warf einen Blick auf die Unmengen an Obst und überlegte, wie ich Tyler und Michael etwas davon zukommen lassen konnte.
Als ich mit dem Frühstück fertig war, brachte mir die Haushälterin eine kleine Schale mit Vitamintabletten. Da jede eine andere Farbe hatte, nahm ich an, dass ich sie alle schlucken sollte.
»Wir müssen diesen Körper pflegen«, sagte sie. »Auch wenn er nicht Ihnen gehört.«
Ich nickte nur, da ich den Mund voller Pillen hatte. Nachdem ich sie mit etwas Saft heruntergespült hatte, legte ich meine Serviette auf den Tresen und stand auf. »Vielen Dank. Das war herrlich.«
Die Haushälterin warf mir einen sonderbaren Blick zu. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Sie trat ans Spülbecken und begann das Geschirr zu sortieren. Ich ging auf die Tür zu, von
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