StatusAngst
unser Leben auf neuem Glücksniveau fortsetzen zu können, und niemand klärt uns darüber auf, dass die Glückskurve kurz nach dem Höhepunkt wieder in die Niederungen erneuter Angst und Begehrlichkeit zurücksinkt.
Das Leben scheint eine ununterbrochene Kette sich stets erneuernder Ängste und Wünsche zu sein — was nicht heißt, dass wir diese Ängste und Wünsche unterdrücken müssten, wohl aber bei unserem Kampf um Glück stärker einkalkulieren, dass das Versprechen endgültiger Erfüllung, per definitionem, nicht eingelöst werden kann.
Das neue Auto wird schon bald, gleich all den anderen Wunderdingen in unserem Besitz, als Versatzstück in der materiellen Staffage unseres Lebens verschwinden — bis uns eines Nachts ein Autoknacker den zweifelhaften Dienst erweist, die Scheibe einzuschlagen und das Autoradio zu klauen. Dann werden wir inmitten der Scherben daran erinnert, wie gut es uns doch eigentlich geht.
WIE MAN SICH DIE BEFRIEDIGUNG NACH EINEM KAUF ODER EINEM ERFOLGSERLEBNIS VORSTELLT
WAS IN WIRKLICHKEIT GESCHIEHT
Die Werbung verschweigt auch, dass unser Glücksempfinden vor allem durch starke emotionale Erlebnisse beeinflusst wird und dass materielle Güter dafür nur schwachen Ersatz bieten können. Der schnittigste und innovativste Wagen verschafft uns nicht den Bruchteil der Befriedigung, die wir in einer glücklichen Beziehung erfahren - so wenig er nach einem Streit oder dem Scheitern einer solchen Beziehung Trost spenden wird. In solchen Momenten können wir die sture Effizienz des Autos, das mechanische Ticken des Blinkers, die kalten Berechnungen des Bordcomputers sogar zu hassen beginnen.
In gleicher Weise neigen wir dazu, den Reiz gewisser Karrieren zu überschätzen, indem wir die vielen Nachteile ausblenden und uns nur die betörenden Highlights vor Augen halten. Wir sehen den Erfolg, nicht den Weg.
Besonders tragisch bleibt, wenn wir vom Neid schon nicht lassen können, dass wir so viel Lebenszeit auf fehlgeleiteten Neid verwenden.
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Am modernen Statusideal wird vor allem kritisiert, dass es in verhängnisvoller Weise falsche Maßstäbe setze. Materielle Akkumulation wird zum höchsten aller Güter, obwohl wir, wäre unser Selbstverständnis nur wahrhaftiger und umfassender, unser Leben lediglich unter »ferner liefen« danach ausrichten würden.
Erbost über die schiefen Maßstäbe der Epoche warf John Ruskin im 19.Jahrhundert seinen Landsleuten vor, die geldbesessensten Menschen zu sein, welche die Geschichte der Menschheit hervorgebracht habe (allerdings hat er nie die Vereinigten Staaten besucht). Die Frage, wer wie viel habe und woher, sei ihr ständiger Begleiter, sie hätten sich dem Ethos des Emporkommens verschrieben. Sie schämten sich mangelnden Reichtums und neideten anderen den ihren.
Aber Ruskin legte ein Geständnis ab. Entgegen aller Erwartung sei auch er versessen auf Reichtum. Der Gedanke verfolge ihn bis in den Schlaf, gab er zu. Doch trieb er nur ein hintersinniges Spiel mit der Mehrdeutigkeit des Wortes »Reichtum«, mit dem er veranschaulichen wollte, wie weit seine Landsleute bereits vom Pfad der Tugend abgeirrt waren. Denn das Wort »Reichtum« bezeichnet nicht nur und nicht einmal vorrangig den Besitz von Geld und materiellen Gütern, sondern Reichhaltigkeit und Fülle: ob an Schmetterlingen, Blumen oder Büchern. Ruskin war durchaus an Reichtum gelegen, maßlos sogar. Nur hatte er einen etwas anderen Reichtum im Sinn, er wollte reich sein an Gefühl, Zärtlichkeit, Neugier, Demut, Gottesfurcht und Verstand — Tugenden, die er schlicht ›Leben‹ nannte. Daher beschwor er die Leser seines Werks Unto This Last, sich nicht länger an den monetären Begriff von Reichtum zu klammern, sondern sich die Lebens-Sicht zu Eigen zu machen. Die Reichsten des Landes wären dann nicht zwangsläufig die Bankiers und Landbesitzer, sondern diejenigen, die der Anblick des nächtlichen Sternenhimmels am tiefsten bewege, und diejenigen, die das Leid ihrer Mitmenschen am besten verstehen und lindern könnten. »Es gibt keinen anderen Reichtum als Leben mit all seiner unendlichen Macht zu Liebe, zu Freude, zu Bewunderung. Es ist das Land am reichsten, das die größte Zahl von edlen und glücklichen Menschen nährt; es ist der Mensch am reichsten, der die Aufgaben seines Lebens am besten meistert, mit seinem Handeln und seinem Besitz den segensreichsten Einfluss auf das Leben anderer ausübt .. .Viele derer, die gemeinhin für reich gelten, sind in
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