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StatusAngst

StatusAngst

Titel: StatusAngst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alain de Botton
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für die längst Vergessenen und Benachteiligten, denen das Schicksal, das erfolgreicheren Zeitgenossen noch bevorsteht, bereits wohlvertraut ist. Die grausamste Lektion erteilt der Tod den Reichen, Schönen, Mächtigen und Berühmten, denn ihr privilegierter Status hat sie nach christlichem Verständnis am weitesten von Gott entfernt.
    Im England des 18.Jahrhunderts fand diese christlich geprägte Moral beredten Ausdruck im Werk der Dichter der Graveyard School, deren lyrische Helden sich in klaren Mondnächten gern auf dem Friedhof wiederfanden, wo sie sich an verwitterten Grabmalen düsteren Reflexionen über die Vergänglichkeit allen Reichtums und Ruhms hingaben. Den Verfassern selbst bereitete das Phänomen offenkundig kaum Unbehagen, sondern im Gegenteil nur mühsam verhohlene Freude. In den Nachtgedanken (1742) Edward Youngs sitzt das lyrische Ich auf einem bemoosten Grabstein und gedenkt der großen Männer der Vergangenheit:
     
    Den Weisen, den König, den Eroberer,
    Sie alle demütigt der Tod.
    Warum die Mühsal für den Triumph der Stunde?
    Mögen wir schwelgen in Reichtum und Ruhm,
    Die Endstation der Erde lautet doch:
    »Hier ruhet er.«
    Und
    »Staub zu Staub«
    beschließt ihr hehrstes Lied.
     
    Sein Zeitgenosse Robert Blair nimmt sich in Das Grab (1743) des gleichen Themas an:
     
    Sollt Eigenliebe oder anderer Menschen Lob mit List uns glauben machen, wir stünden weit über unseresgleichen,
    so widerlegt das Grab das glattzüngig Geschmeichel und zeigt uns ohne Gnade, was wir wirklich sind.
     
    Auch Thomas Gray, der bedeutendste Vertreter der Graveyard School, verkündet diese Botschaft in seiner Elegie, geschrieben auf einem Dorffriedhof (1751):
     
    Wappengepränge, der Mächtigen Runde Und all die Schönheit, alles, was Reichtum uns gab, erwartet gleichermaßen die unausweichliche Stunde. Die Pfade des Ruhms führen sämtlich ins Grab.
     
    Wem die Gesellschaft übel mitspielt, mag sich bereits an der Vorfreude auf die Stunde der Rache berauschen, da Einzelne wie auch die Gesellschaft notwendig untergehen.
    Auch Maler haben sich an derartigen Untergangsvisionen ergötzt, indem sie ihre vertraute Umgebung auf der Leinwand in eine Ruinenlandschaft verwandelten — eine Warnung und Verheißung, gerichtet an die Großen und Mächtigen ihrer Gesellschaft. Der französische Maler Hubert Robert etwa gefiel sich so darin, die großen Bauten des modernen Frankreich in Trümmer zu legen, dass er den Beinamen »Robert des ruines« erwarb.
    Sein englischer Zeitgenosse Joseph Gandy machte mit einem Gemälde der Bank of England auf sich aufmerksam, das statt des intakten Prunkbaus nurmehr die Trümmer der Rotunde zeigt.
     

    Hubert Robert, Phantasiebild von der zerstörten Grande Galerie des Louvre, 1796
     

    Joseph Gandy, Blick auf die Trümmer der Bank of England, 1798
     
    Um die siebzig Jahre später zeichnete Gustave Doré eine Londoner Stadtansicht, wie sie sich seiner Meinung nach im 21.Jahrhundert darstellen werde. Sein London ähnelt dem Rom der Endzeit, und im Vordergrund sieht man einen Neuseeländer (zu Dorés Zeiten galt Neuseeland als Land der Zukunft), der die Ruinen des damals brandneuen Bahnhofs Cannon Street skizziert — so wie englische Bildungsreisende einst nach Athen und Rom strömten, um Impressionen des Parthenon oder des Kolosseums festzuhalten.
    Seit dem 18. Jahrhundert bereisten diese frühen Touristen die Stätten des Altertums, um die Überreste der glorreichen Vergangenheit zu bestaunen: Troja, Korinth, Paestum, Theben, Mykene, Knossos, Palmyra, Baalbek, Petra und Pompeji. Die Deutschen, Meister im Erfinden von Bezeichnungen für schwer fassbare Seelenzustände (»Weltschmerz«, »Schadenfreude«, »Wanderlust«), prägten neue Begriffe für die Sucht nach antikem Geröll: »Ruinenempfindsamkeit«, »Ruinensehnsucht«, »Ruinenlust«. Im März 1787 besuchte Goethe zweimal Pompeji und berichtete von Neapel aus: »Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte.« Stendhal schwärmte in seinen Römischen Spaziergängen (1829): »Welch wundervolle Morgenstunden habe ich im Kolosseum verbracht, ganz verloren an eine Ecke dieser gigantischen Ruine!« Er empfahl das Betrachten von Ruinen als »das intensivste Vergnügen, das uns die Erinnerung verschaffen kann«, und meinte gar, der Anblick des halb zerfallenen Kolosseums sei dem des Originalbaus vorzuziehen.
    »Ich bin Ozymandias, König der Könige/Schaut auf meine Werke,

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