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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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die Haut. Mirjam schloss die Augen. Die Geige lockte sie fort und sie gab sich ihr hin, wie sie sich immer ihren Gebeten hingab. Mit jedem Übergang von Piano zu Forte wühlten die Klänge ihre Gefühle hoch. Sie vermochte nicht einmal zu sagen, welche es waren. Warmes Licht ergoss sich über sie. Sie breitete ihre Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und wirbelte herum. Wie früher als kleines Mädchen, um ihr Röck-chen zu einer Glocke aufplustern zu lassen. Und sie lachte unbeschwert und genoss die Strahlen auf ihrer Haut. Schneller, schneller, schneller! Ihr Kopf schwirrte.
    Plötzlich verstummte die Geige. Mirjam trauerte dem Echo der Klänge nach, während die Musik ihr entglitt. Sie fiel, fiel in zähe Schwärze und das Licht verglomm über ihr.
    Erschrocken schlug Mirjam die Lider auf. Schon vorbei? Der Saal um sie herum lag still. Keiner der Zuhörer bewegte sich, niemand hüstelte, niemand wagte aufzuatmen. Kristin wandte ihr das Gesicht zu. Ihre Augen glänzten feucht, die Wangen glühten.
    „Wenn das unser Rattenfänger war, dann sag ich nur eins: alter Schwede!“
    Applaus überschüttete die Musiker wie eine Lawine, durch den Saal hallten Bravo-Rufe. Auch Mirjam sprang auf und klatschte, bis ihre Handflächen taub wurden. Wie sehr hoffte sie, noch ein Mal diese Geige zu hören und das Gefühl der Schwerelosigkeit zu erleben. Doch die Zugabe wurde verwehrt.
    Nach und nach klangen die Ovationen ab. Die Menschen strömten zu den Ausgängen. Kristin ergriff Mirjams Hand und bugsierte sie die Treppe hinunter ins Parkett. Mit ihrer korpulenten Figur pflügte sie durch die Massen wie ein Eisbrecher durch das arktische Meer.
    Die Bühnentür stand einen Spalt offen. Dahinter erstreckte sich ein enger Korri-dor, in dem sich die Musiker in kleinen Grüppchen unterhielten. Aus einem Auf-zug schoben Arbeiter große Metallkästen. In der stickigen Luft schwebten Parfüm-gerüche.
    „Voooorsicht!“
    Einer der Kästen rollte direkt auf Mirjam zu. Sie taumelte zurück und trat einem jungen Mann im Smoking auf die Füße, der daraufhin leicht das Gesicht verzog.
    „’Tschuldigung“, murmelte Mirjam.
    „Ich würde so gern ‚macht nichts’ sagen, aber meine Schuhe drücken so fürchterlich. Leider stellen alle so komische Fragen, wenn ich in Socken spazieren gehe.“
    Mirjam lächelte. Etwas in seinen Augen faszinierte sie. So schwarz, als würde darin jegliches Licht verschwinden und gleichzeitig funkelte Wärme darin.
    „Du und deine Schuhe.“ Eine Brünette im dunkelblauen Kleid hakte sich unter seinen Arm. „Kommst du heute noch zum Bankett?“ Erst jetzt bemerkte Mirjam eine Geige und einen Bogen in seiner Hand. Sie wollte ihm gerade nachrufen, ob er wüsste, wo sich sein Konzertmeister aufhielt, doch die Frau entführte ihn schon an das andere Ende des Korridors.
    „Hm.“ Kristin, die vorgegangen war, kam zurück. „Wir wissen nicht mal, wie er aussieht.“ Mirjam nickte. Während sich in ihrem Geist das blond-blauäugige Bild eines Skandinaviers formte, starrte sie den jungen Mann am Flurende an. Mit einer Hand kämmte er sein rabenschwarzes Haar nach hinten und lächelte die Brünette an. Mirjam lächelte zurück, obwohl seins gar nicht ihr gegolten hatte. „Hey, Träumerle!“ Kristin rüttelte an ihrem Ärmel. „Lass uns den Dicken mit dem Vollbart da drüben fragen. Der sieht wichtig aus.“ Widerwillig ließ sie sich fortschleppen. „Hallo? Entschuldigen Sie?“ Kristin versperrte dem Mann den Weg. Der Dicke schenkte ihnen ein breites Grinsen und legte die Hände auf dem runden Bauch zusammen. In seinem Smoking hatte er etwas von Pavarotti.
    „Ja, meene Liebe?“
    „Ich hätte da eine Frage …“
    Mirjam hörte nicht zu. Sie blickte zurück zu dem jungen Mann, weil sie befürchtete, ihn nicht mehr zu finden. Schöne Visionen hatten das Bestreben, sich aufzulösen. Aber er stand noch an seinem Platz und schaute ihr direkt in die Augen, über die Schultern der anderen. Ihr Herz verwandelte sich in einen hüpfenden Flummi. Doch wie mit Absicht schob sich die Brünette dazwischen.
    „… Maximilan Helmgren finden kann?“
    „Ah, natürlich. Ick bin seen Dirijent. Sehn Se den jungen Mann dahinten? Der sich mit de Dame in’t dunkelblaue Kleed untahält? Dit is Max.“
    Mirjams Flummi-Herz stürzte ins Bodenlose. Das war er also. Maximilian Helmgren, der hellste Stern am Musikerhimmel. Sie wünschte, der junge Mann wäre jemand anderes gewesen. Jemand aus einer niedrigeren Liga.
    „Ich habe

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