Staub
Lucy. »Wurde sie von einem Pflegedienst betreut?«
»Nein.«
»Eine wohlhabende Frau wie sie stirbt allein zu Hause, ohne die geringste medizinische Hilfe zu erhalten?«
»Mehr oder weniger. Warum ist das so wichtig?« Sein Blick schweift durch das Behandlungszimmer.
»Weil es wichtig ist. Und weil Sie sich selbst damit helfen.« Das ist gleichzeitig Beruhigung und Drohung. »Ich möchte Mrs. Arnettes Krankenakte sehen. Zeigen Sie sie mir. Rufen Sie sie auf Ihrem Computer auf.«
»Ihre Daten habe ich mit Sicherheit gelöscht. Sie ist tot.« Er sieht sie spöttisch an. »Das Komischste daran ist, dass Mrs. Arnette ihre Leiche der Wissenschaft gespendet hat. Sie wollte keine Beerdigung, weil sie Gott hasste. Mir tut der arme Medizinstudent Leid, der sich mit ihrer Leiche herumplagen musste. Manchmal denke ich daran und bedaure den armen Teufel, der das Pech hatte, an ihren hässlichen, verschrumpelten alten Körper zu geraten.« Inzwischen ist Dr. Paulsson ruhiger und selbstsicherer. Und je wohler er sich in seiner Haut fühlt, desto mehr spürt Lucy Hass in sich aufsteigen wie bittere Galle.
»Der Hund«, sagt Benton ihr ins Ohr. »Frag ihn.«
»Was ist aus Gillys Welpen geworden?«, erkundigt sich Lucy. »Ihre Frau sagt, der Hund sei verschwunden, und Sie hätten etwas damit zu tun.«
»Sie ist nicht mehr meine Frau«, entgegnet er. Sein Blick ist hart und kalt. »Und Gilly hatte nie einen Hund.«
»Sweetie«, hakt Lucy nach.
Als er sie ansieht, blitzt etwas in seinen Augen auf.
»Wo ist Sweetie?«, will Lucy wissen.
»Die einzigen Sweeties, die ich kenne, sind Gilly und ich«, antwortet er mit einem höhnischen Grinsen.
»Lassen Sie die Witze«, warnt Lucy. »Hier gibt es nichts zu lachen.«
»Suz nennt mich Sweetie. Das hat sie immer getan. Und ich habe zu Gilly Sweetie gesagt.«
»Das ist die Antwort«, meint Benton. »Es reicht. Verschwinde.«
»Es gab nie einen Hund«, sagt Dr. Paulsson. »Dieses Gefasel ist nichts als Mist.« Als er sich vorbeugt, ahnt sie, was jetzt kommt. »Wer sind Sie?«, fragt er. »Geben Sie mir den Stift.« Er steht auf. »Sie sind nur ein dummes kleines Mädchen, das geschickt worden ist, um mich vor den Richter zu zerren, stimmt’s? Sie denken wohl, Sie könnten Geld aus mir herauspressen. Aber Sie müssen doch einsehen, dass das zwecklos ist. Her mit dem Stift!«
Lucy steht mit hängenden Armen da. Ihre Hände sind bereit.
»Da haben sich wohl einige Flittchen verbündet, um ein paar Dollar zu kassieren.« Als er sich vor ihr aufbaut, weiß sie, was gleich passieren wird.
»Verschwinde«, warnt Benton. »Es ist vorbei.«
»Sie wollen also die Kamera?«, meint Lucy. »Und den Mikro-Recorder?« Allerdings hat sie gar keinen Recorder, der steht nämlich bei Benton. »Wollen Sie die wirklich haben?«
»Wir können ja einfach so tun, als wäre nie etwas vorgefallen«, schlägt Dr. Paulsson lächelnd vor. »Geben Sie mir die Sachen. Sie haben die Informationen, die Sie haben wollten. Also vergessen wir das Ganze einfach. Geben Sie schon her.«
Sie tastet nach dem Funkgerät, das an einer Gürtelschlaufe befestigt ist. Der Draht verläuft durch ein winziges Loch in ihrem Overall. Mit einem Knopfdruck schaltet sie das Gerät aus, und Bentons Bildschirm wird dunkel. Er kann zwar noch hören und sprechen, aber nichts mehr sehen.
»Nicht!«, zischt er ihr ins Ohr. »Du musst sofort verschwinden.«
»Sweetie«, meint Lucy höhnisch zu Dr. Paulsson. »Was für ein Witz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass je ein Mensch zu Ihnen Sweetie gesagt hat. Wenn Sie die Kamera und den Recorder wollen, müssen Sie sie sich schon holen.«
Als er sich auf sie stürzen will, läuft er ihr direkt in die Faust. Seine Beine knicken weg, und er sinkt mit einem Stöhnen zu Boden. Im nächsten Moment kauert sie schon auf seinem Rücken. Ein Knie fixiert seinen rechten Arm, während ihre linke Hand seinen linken Arm festhält. Sie dreht ihm die Arme schmerzhaft auf den Rücken.
»Lassen Sie mich los!«, brüllt er. »Sie tun mir weh!«
»Lucy! Nein!«, ruft Benton, aber sie hört nicht auf ihn.
Ihr Atem geht stoßweise, und sie schmeckt ihre eigene Wut, als sie Dr. Paulsson an den Haaren packt und seinen Kopf hochreißt. »Hoffentlich haben Sie sich heute gut amüsiert, Sweetie«, sagt sie und zerrt ihn noch einmal heftig an den Haaren. »Ich sollte Ihnen den gottverdammten Schädel einschlagen. Haben Sie Ihre Tochter missbraucht? Haben Sie sie an die anderen Perversen, die zu Ihnen
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