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Staubige Hölle

Staubige Hölle

Titel: Staubige Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Smith
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die Straße wie eine Schlafwandlerin, immer noch ihre Tasche in der Hand. Sie schlug einen Bogen um das Taxi. Hörte das Stöhnen und Schluchzen der Verwundeten, das aufgeregte Geplapper der Schaulustigen.
    Als sie zu dem Geschäft hinüberging, kam sie an dem leuchtend roten Metall-Container vorbei, auf den mit Schablone in Weiß die Silhouetten telefonierender Menschen gemalt waren. Sie dachte an die Nummer in dem verbrannten Buch. Sunday warf einen Blick zurück, sah ihre Tante mit einer Frau reden, die sich auf einem Stein neben ihr niedergelassen hatte, und zu dem Taxi hinüber gestikulieren.
    Ein Mann von Anfang zwanzig stand im Eingang des Containers und verfolgte das Geschehen auf der Straße. Er grunzte, als sie an ihm vorbeiging. Eine Frau, dürr wie der Tod, heulte in eines der Telefone. Sunday stand da und starrte die Telefone an. Anders als alle, die sie bislang gesehen hatte. Diese hier waren klein, glänzend, modern. Wie Mobiltelefone. Der Mann in der Tür drehte sich um. Sunday zeigte ihm die Nummer auf der verbrannten Karte.
    Er betrachtete sie mit zugekniffenen Augen. »Pretoria. Ferngespräch. Zehn Rand.«
    Der Wert des Geldscheins, den Ma Mavis ihr gegeben hatte. Sunday gab ihm das Geld, und der Mann wählte für sie. Sie hatte keine Ahnung, was sie demjenigen sagen würde, wer auch immer sich in dieser Stadt in einer anderen Welt meldete.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Das ist eine Fax-Nummer.« Sunday starrte ihn an. »Ein Fax. Du weißt schon, man kann einen Brief schicken oder auch ein Bild?« Er deutete auf ein Gerät, das auf der Ladentheke stand, schwarz und mit zahllosen Knöpfen.
    Sunday nickte. Sie hatte so etwas schon mal in dem Büro im Museumsdorf gesehen. Doch das half ihr auch nicht weiter. Dann hörte sie wieder die Stimme ihrer Mutter, und sie kramte in ihrer Tasche und fand die Einladung zur Hochzeit. Sie hielt sie ihm hin. »Bitte, Bruder. Schick das hier.«
    Er fütterte die Einladung in das Gerät. Sunday fragte sich, ob sie wohl verschlungen worden war, aber nach einigem Klicken und Surren glitt das Blatt auf der anderen Seite wieder heraus, und der Mann gab es ihr zurück. Außerdem gab er ihr noch einen Zettel. »Hier steht drauf, dass es empfangen worden ist«, sagte er.
    Sunday dachte: Empfangen, ja. In Pretoria. Aber wer hatte es empfangen?
    Sie verließ den Container und warf das Blatt auf den Müllhaufen in der Gosse. Sie überquerte die Straße zu ihrer Tante und versuchte sich für eine Lüge zu entscheiden, um zu erklären, warum sie ohne Coke, ohne Grandpa und ohne Geld zurückkehrte.

Kapitel 11
    Disaster Zondi saß an seinem Schreibtisch, starrte über die leere Weite des verschmutzten Teppichs und sah einen Kopf auf einem Stock. Der Kopf eines seiner Ahnen, ein Zulu-Häuptling namens Bhambatha kaManczinza, der ein Jahrhundert zuvor aus Protest gegen eine Kopfsteuer, die zu zahlen sein Volk zu arm war, eine Erhebung gegen die britische Kolonialmacht anführte. Die Briten hatten Maschinengewehre und Kanonen gegen die Speere von Bhambathas Männern eingesetzt. Schnitten ihm den Kopf ab, spießten ihn auf und zeigten ihn als Warnung überall in Zululand herum.
    Die Briten waren lange fort. Ihre Nachfolger, die Schlächter der Apartheid ebenfalls. Aber in den letzten Wochen hatte Zondi gesehen, wie ein weiterer Kopf, der seines Chefs – und Mentors –, genommen und zur Schau gestellt worden war. Ebenfalls als Warnung. Leg dich nicht mit dem Justizminister an, mit dem Mann, der allgemein als heißer Kandidat für das Präsidentenamt gehandelt wurde.
    Die Enthauptung war natürlich nur virtuell gewesen. Durchgeführt mit Diffamierungskampagnen, versteckten Anspielungen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Untersuchungskommissionen. Aber Archibald Mathebula war am Ende ein geschlagener Mann, ausgeschlossen aus der regierenden Partei, der er sein ganzes Leben geopfert hatte.
    Mathebulas Untergang war seine Untersuchung der korrupten Beziehung zwischen dem Minister und Ben Baker gewesen, einem Unternehmer, der im Südafrika nach der Apartheid ausgesprochen erfolgreich gewesen war. Fett, aber wendig hatte Baker schnell gelernt, nach der neuen Trommel zu tanzen, hatte Gefallen gefunden an endlosen Fototerminen mit geleckten schwarzen Männern in teuren italienischen Anzügen. Jetzt war Baker tot, der Minister lächelte,

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