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Staubige Hölle

Staubige Hölle

Titel: Staubige Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Smith
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und Mathebulas Einheit war zerlegt worden wie ein gestohlenes Auto in einer Hehler-Werkstatt.
    Einige der Ermittlungsbeamten waren von der Polizei aufgenommen worden. Manche waren an Hochschulen gegangen. Andere verdienten sich ihre Brötchen als Berater in Sachen Kriminalität und Korruption. Verdienten ein Vermögen mit Vorträgen vor Unternehmern beim Frühstück, gaben ihnen Statistiken und Magenverstimmungen.
    Und Mathebula hatte buchstäblich den Geist aufgegeben. An einem Herzinfarkt gestorben, hieß es. Affenscheiße. Er war an Ekel und Empörung gestorben. So gottverdammt einfach war das. Ließ seinen Protegé Zondi allein zurück – einen dunkelhäutigen Mann in dunklem Anzug und weißem Hemd ohne Krawatte – an einem Sonntagnachmittag an diesem Schreibtisch in dem riesigen, leeren Raum, der noch bis vor zwei Tagen ein Labyrinth aus abgeteilten Arbeitsplätzen gewesen war.
    Am Morgen würden Männer in Overalls den Schreibtisch hinuntertragen in ein anderes Büro in dem grauen Gebäude in der Innenstadt von Pretoria – der Verwaltungshauptstadt Südafrikas – über eine ausgedehnte Schlafstadt mit Johannesburg verbunden, ihr gefrässiger siamesischer Zwilling. Wenn sich in Jo’burg, erbaut auf einer Wabe stillgelegter Goldminen, alles um Geld drehte, dann ging es in Pretoria allein um politische Macht. Früher war es das Vorzeigeprojekt der Apartheid gewesen. Heute waren die Standbilder zur Erinnerung an burische Generale entfernt worden und setzten in Lagerhäusern, an nach marxistischen Helden benannten Straßen, Staub an.
    Auf dem Schreibtisch vor Zondi stand ein kleiner Karton. Er enthielt ein Wörterbuch, ein Klammergerät, drei Stifte und eine mit Eselsohren versehene Ausgabe von Trotzkis »Verratene Revolution«. Das Buch hatte Jahre unberührt in einer Schublade gelegen. Er war versucht, es aufzuschlagen und sich in der Ironie zu suhlen. Stattdessen ließ er den Karton in den Mülleimer neben seinem Stuhl fallen und stand auf, bereit, seinen letzten Gang zum Fahrstuhl, einer ungewissen Zukunft entgegen, anzutreten.
    Als er unter seinem Schreibtisch ein Zwitschern hörte, brauchte er einen Moment, um zu begreifen, dass es der Klingelton seines Faxgeräts war. Meine Güte, wer schickt denn heutzutage noch Faxe? Die Maschine – ein uraltes Ding, zusammengehalten von Klebeband – surrte und ächzte, während es Millimeter um Millimeter eine Seite ausgab. Ein kontrastreiches Schwarzweißbild erschien, wie ein Rorschach-Klecks auf einem über die Jahre verfärbten Blatt Papier. Das Gerät piepte, Zondi griff nach unten und nahm das Blatt heraus.
    Er sah einen Mann und ein Mädchen, die steif vor der Kamera posierten. Zuerst war Zondi noch überzeugt, dass er das Jugendfoto einer Frau betrachtete, die er einmal geliebt hatte und die bereits seit über zehn Jahren tot war. Doch das Mädchen auf dem Bild hatte nur eine Ähnlichkeit mit ihr. Dieses Foto stammte aus jüngster Zeit. Auch der Mann war ihm nur zu bekannt, und als Zondi ihn einordnete, spürte er, wie ein weiterer Teil seines beherrscht geführten Lebens aus dem Gleichgewicht geriet. Er hielt eine Hochzeitseinladung in der Hand. Aber Zondi wusste, dass er nicht zu einer Hochzeit eingeladen wurde. Dies war eine Einladung zu etwas völlig anderem.
    Er knüllte das Blatt zusammen, immer noch warm nach seiner Reise durch die Eingeweide der Maschine und war drauf und dran, es in den Papierkorb zu schmeißen. Doch irgendetwas ließ ihn innehalten. Er steckte das Fax in die Tasche seiner Anzughose und verließ für immer diesen Raum.

Kapitel 12
    Inja stand vor dem Urinal aus rostfreiem Stahl, pinkelte auf die kleinen weißen Bälle, die auf dem Boden des Beckens lagen, und roch, wie sich sein Urin mit künstlichem Kiefernduft vermischte. Er hielt sein Mobiltelefon in der freien Hand und sagte auf Zulu: »Ja, ja. Wann? Und wer ist tot?« Seine Stimme wurde dröhnend von den Fliesen zurückgeworfen, war laut wie über eine Beschallungsanlage.
    Ein alter Weißer in kurzer Hose, langen Kniestrümpfen und polierten Schuhen betrat die Herrentoilette, warf Inja einen kurzen Blick zu und entschied sich für die Ungestörtheit einer Kabine. Inja beendete den Anruf und steckte das Telefon in die Tasche. Schüttelte die letzten Tropfen ab und zog den Reißverschluss zu. Verließ

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