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Staubige Hölle

Staubige Hölle

Titel: Staubige Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Smith
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Schnabel durch das Gitter und scharrte im Dreck nach Futter.
    Alle paar Minuten ächzte Ma Beauty und bewegte ihr verkümmertes Bein, murmelte leise vor sich hin und wedelte mit den Hochzeitseinladungen die brummenden Fliegen weg, die ihren Kopf umkreisten. Sunday beobachtete, wie der Schatten des großen AIDS -Plakates sich zentimeterweise über den Bürgersteig und die Wand des Leichenbestatters hinaufschob.
    Sie hörte das Blöken einer Hupe. Ein verbeulter Minibus kam scheppernd über die Brücke, hielt schliddernd an und wirbelte dabei eine Staubwolke auf. Der Fahrer blieb hinter dem Steuer sitzen und rauchte eine Zigarette, während der Beifahrer heraussprang, die Passagiere nach hinten drängte und den Fahrpreis kassierte.
    Die Mutter schob sich das Baby auf den Rücken, fixierte es dort mit einer karierten Decke und machte glucksende Laute, als es einen schwachen Schrei ausstieß. Sunday stand auf, und Ma Beauty wuchtete sich auf die Beine hoch, wobei sie sich an Sundays Arm abstützte. Dann hinkte sie zum Taxi hinüber. Sunday nahm ihre Tasche vom Boden und wollte folgen. Blieb dann aber stehen. Hörte ein leises Knurren.
    Ma Beauty warf einen mürrischen Blick zurück über die Schulter und bewegte die Lippen, aber Sunday hörte nur dieses tiefe Knurren. Das jetzt lauter wurde. Sie drehte sich um und schaute die Straße hinauf. Ein Auto kam. Ein blaues Auto. Die Sonne reflektierte von den verchromten Radfelgen, die Windschutzscheibe erstrahlte in grellem Licht. Als der Wagen in den Schatten des Gebäudes des Leichenbestatters glitt, sah Sunday die rosa Würfel, die am Innenspiegel baumelten, so langsam, als befänden sie sich unter Wasser. Sah die undeutlichen Konturen des Fahrers und seines Beifahrers. Sah die offenen Seitenscheiben, die auf dem Metall lodernde Sonne, als der Beifahrer einen kräftigen Arm hinausstreckte, etwas Dunkles, das aus seiner Hand ragte. Hörte harte, dumpfe Schläge. Wie Türen, die im Wind schlugen.
    Die Mutter mit dem Baby öffnete den Mund, und eine Sprechblase aus Blut schwebte heraus. Als sie zusammensackte, löste sich die Decke auf ihrem Rücken, und das Baby brauchte eine Ewigkeit, um in den Dreck zu fallen, wo es mit dem Gesicht nach unten wie eine rote Puppe liegen blieb.
    Die Frau mit dem Huhn blieb stehen, ein Fuß auf dem Trittbrett des Taxis, der andere auf dem Sand. Hob eine Hand an die Stelle, wo ihr Kiefer gewesen war. Der Drahtkorb schlug auf den Boden, klappte auf, und das Huhn flüchtete, ließ eine einzelne weiße Feder im Staub zurück. Sunday hörte Schreie und das Dröhnen des blauen Autos, als es Richtung Brücke beschleunigte, wobei seine Reifen über die Metallelemente trommelten. Dann war es fort.
    Sie fand sich auf den Knien wieder, wie sie das tote Baby in den Arm nahm. Finger griffen nach ihrer Schulter, und sie blickte zu ihrer Tante auf. »Leg das weg, Mädchen.« Sunday gehorchte, legte das Baby neben den Körper seiner Mutter. Ihre Tante zerrte an ihr. »Komm, du. Soll jemand anderer die Schweinerei aufräumen.«
    Als sie stand, spürte Sunday etwas an ihrem Schuh kleben. Eine der Hochzeitseinladungen. Sie zog sie ab und steckte sie in die Tasche. An ihrer Hand war Blut. Sie wischte es sich am Rock ab.
    Ma Beauty packte Sundays Handgelenk und zog sie fort. Sie gingen an dem Taxi vorbei, der tote Fahrer hing über dem Lenkrad, ein Arm aus dem offenen Fenster baumelnd, die Zigarette immer noch zwischen seinen Fingern qualmend. Der betrunkene Mann und die Mädchen in Jeans saßen auf dem Sand, bluteten, die Gesichter teilnahmslos vor Schock.
    Während Sunday sich von ihrer Tante durch die Menge führen ließ, die sich um den Minibus drängelte, hörte sie Satzsplitter, aneinandergereihte Worte wie Perlen auf einem Draht: Taxikrieg. Killer aus Durban.
    Ihre Tante humpelte zu einem Baum, der mit gekalkten Steinen eingefasst war, wo die African Zionist Church jeden Sonntag ihren Freiluft-Gottesdienst abhielt. Ma Beauty setzte sich auf einen Stein und tupfte mit einem Kleenex ihre Stirn ab. »Oh-oh, meine Nerven sind am Ende.« Sie zog einen Geldschein aus der Handtasche und reichte ihn Sunday. »Du, geh und kauf mir eine Coke und eine Grandpa. Mach schnell.«
    Das Patentrezept ihrer Tante für Krisen aller Art: ein Kopfschmerzpulver so bitter wie Galle, runtergespült mit einer Coca-Cola. Sunday nahm das Geld und überquerte

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