Staubige Hölle
möchte nicht, dass die Arbeiter dich sehen.«
Dell nickte. Der alte Mann ging zur Tür, in der Hand ein dünnes Handtuch und ein Stück Seife. Wie ein Gefangener.
»Ich muss mal pinkeln«, sagte Dell.
»Piss ins Becken.« Goodbread ging hinaus, schloss die quietschende Tür.
Dell setzte einen Urinstrahl in das Abflussloch. Zog den ReiÃverschluss hoch, hörte dann ein leises Klopfen an der Metalltür. Erstarrte.
»Ich binâs.« Die belegte Stimme der blonden Frau.
»Kommen Sie herein«, sagte er.
Die Frau trat ein, lieà kurz einen Schwall grellen Tageslichts herein, bevor sie die Tür wieder schloss. Sie trug zwei Teller, einen auf dem anderen, die jeweils mit Alufolie bedeckt waren. Eine Plastikeinkaufstüte baumelte an ihrem Handgelenk. Sie stellte die Teller neben das Waschbecken.
»Dein Dad ist unter der Dusche?« Sie trug an diesem Morgen kein Make-up, und sie sah alt und verbraucht aus.
»Ja.«
»Ich hab euch ein kleines Frühstück gebracht.« Er roch Würstchen und Eier. Was bei ihm einen Brechreiz auslöste. Sie zog die Tüte vom Handgelenk und hielt sie ihm hin. »Hier drin sind ein paar Kleidungsstücke. Haben meinem Mann gehört. Er hatte ungefähr deine GröÃe.« Legte die Tüte aufs Sofa. »Keine Angst, ich hab alles gewaschen.«
»Danke«, sagte er.
Sie sah ihn an. »Wie fühlst du dich?«
»Ganz okay.«
»Die Bullen letzte Nacht ⦠Ich hoffe, die haben dir keine Angst gemacht?«
»Ich hätte mir fast in die Hose geschissen«, antwortete er.
Sie lachte, zeigte gelbe Zähne. »Mach dir wegen denen mal keine Sorgen. Die sind nutzlos. Die wissen rein gar nichts.«
Dell nickte und lieà sich aufs Bett sinken. Die alte Blondine setzte sich aufs Sofa, packte den Inhalt der Tüte aus. Hose. Hemd. Unterwäsche. Ein Paar schwere Arbeitsschuhe. Sie sah mit müden Augen zu ihm auf. »Ich habe gehört, was passiert ist. Dass die Kaffer deine Familie ermordet haben.«
Da warâs. Das Wort, das sein Leben als weiÃer Südafrikaner definiert hatte. Kaffer , abgeleitet aus dem arabischen kafir . Ungläubiger. Aber im Südafrika der Apartheid hatte es eine völlig neue Bedeutung erhalten. Hate Speech  â Sprache des Hasses. Viel schlimmer als Nigger oder Neger oder eines der anderen abwertenden Worte. Wer dieses Wort benutzte, kennzeichnete sich als weiÃer Rassist. So einfach. Dell war in zahllose Schlägereien mit denen geraten, die es benutzten. Normalerweise steckte er dann eine heftige Tracht Prügel ein, aber trotzdem. Und hier saà er nun. Sagte nichts.
»WeiÃt du, die haben auch meinen Mann umgebracht.« Sie hing die khakifarbene Hose über die Rückenlehne des Sofas, pflückte eine Fluse von einem Bein. »Er ist rauf in den Free State gefahren, auf die Farm seines Bruders. Um bei der Ernte zu helfen. Die Kaffer sind mit Gewehren gekommen und haben ihn und seinen Bruder erschossen. Haben ihren Laster gestohlen. Wir haben beide am gleichen Tag beerdigt. Die Bullen haben nichts unternommen. Nur zwei tote weiÃe Männer. Nur ein weiterer Mord auf einer Farm.«
»Das tut mir leid«, sagte er.
Sie zuckte die Achseln, wischte sich eine trockene, blonde Strähne aus dem Gesicht. Stand auf und zuckte zusammen, als ein Schmerz im Rücken sie erfasste. »Es ist ein Krieg. Egal, was die sagen. Manche von uns kämpfen immer noch.« Sie ging zur Tür hinüber, humpelte leicht.
Ein Lächeln huschte über ihre schmalen Lippen, zerfurcht von den vielen Jahren des Rauchens. Sie öffnete die Tür und trat ins Licht hinaus. Schloss die Tür. Er hörte das Knirschen ihrer Schritte auf dem Kies, als sie sich entfernte.
Kapitel 29
Sunday marschierte den Berg hinauf zu der Hütte und balancierte dabei einen Wasserbehälter aus Plastik auf dem Kopf. Der Behälter war schwer, enthielt zwölf Liter, dennoch bewegte sie sich mit trittsicherer Anmut und musste nur von Zeit zu Zeit die Hand heben, um ihre Last zu stabilisieren. Sie war unten bei der Gemeinschaftszapfstelle gewesen. Hatte sich hinten anstellen müssen, während Frauen ihre Eimer und Kalebassen füllten. Lauschte mit einem Ohr ihren Klagen über Taxikriege, Krankheiten und Armut. War erleichtert, als sie das Wasser in ihren Behälter prasseln hörte.
Mit jedem ihrer Schritte heiterte sich ihre Laune auf. Heute war
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