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Staubige Hölle

Staubige Hölle

Titel: Staubige Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Smith
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Junge zerrten an dem Kadaver und versuchten, ihn auf den Wagen zu heben, aber keiner von beiden war stark genug, und so rutschte das Schaf immer wieder in den Sand. Der alte Mann hockte sich neben das Schaf, schnappte nach Luft, starrte in den Staub. Der Junge stand neben ihm, beobachtete, wie Dell auf sie zulief.
    Dells Zunge war angeschwollen, und er kämpfte darum, das eine Zulu-Wort zu sagen, das irgendwie aus seiner Kindheit in Durban in seinem Gedächtnis haftengeblieben war: amanzi . Wasser. Er stellte pantomimisch dar, aus einer Flasche zu trinken. Der alte Mann sah zu ihm auf. Mit müden, blutunterlaufenen Augen.
    Dell sank auf die Knie in den Sand. » Amanzi . Bitte.« Er fand einen zerknüllten Geldschein in der Tasche und hielt ihn dem alten Mann hin.
    Der Zulu schüttelte den Kopf, sah den Jungen an und sprach. Der Junge nickte. Dell sah, dass die dichten schwarzen Locken des Kindes an den Wurzeln rotblond waren, wahrscheinlich Kwashiorkor , Eiweißmangel durch Fehlernährung. Der Junge trabte zu den Hütten hinüber. Seine mageren Beine erinnerten an Glockenschwengel.
    Dell sah den alten Mann an, der ihn ignorierte, in die Ferne starrte und sich nicht um die Fliegen kümmerte, die immer wieder seine Augen und Nasenlöcher anvisierten. Krochen ihm über die gedehnten Ohrläppchen. Dell richtete sich wieder auf und ging zu dem Schaf neben dem Karren. Kopfschuss. Er sah die Einschusslöcher in den beiden anderen Kadavern. Versuchte gar nicht erst, es zu verstehen.
    Er beugte sich herunter und schob die Arme unter das tote Tier. Der heiße Sand brannte ihm auf der Haut. Das Schaf war bloß noch ein Sack Knochen, das Fell verfilzt und stinkend. Er schaffte es, das Tier hochzuheben und in den Karren zu hieven. Das Gewicht des Kadavers drückte die Kiste zurück in den Staub und ließ das T-förmige Joch hochschnellen.
    Dell schwitzte und war erstaunt, dass er noch genügend Flüssigkeit in sich hatte, um Schweiß zu produzieren. Ihm war plötzlich schwindelig. Er setzte sich, lehnte mit dem Rücken gegen das Wagenrad und spürte den Radkranz in seine Schulter bohren. Als er wieder zu Atem gekommen war, ging er zu dem zweiten Schaf hinüber. Nicht sicher, warum er das überhaupt tat.
    Der Alte beobachtete Dell, die Hände baumelten ihm zwischen seinen Beinen. Dell packte das Schaf an einem hinteren Huf und zog es zum Karren. Dieses Tier war fleischiger, und er mühte sich gerade ab, es hineinzuheben, als er den alten Mann neben sich spürte. Drehte sich zu ihm und sah, dass die Muskeln seines Arms so zäh wie mager waren. Zusammen wuchteten sie das Schaf auf die Ladefläche des Karrens. Dell ging zu dem dritten Tier, schleifte es heran, und sie legten es gemeinsam in den Karren. Beide sanken anschließend zu Boden. Der alte Mann nickte und nuschelte etwas.
    Ein Schatten erreichte Dell, und als er aufsah, stand der Junge vor ihm, hielt ihm eine Plastikflasche hin, gefüllt mit Wasser. Dell riss sie dem Jungen aus den Händen und hob sie an seinen Mund. Das Wasser war warm und brackig, doch er trank, bis die Flasche leer war, Flüssigkeit rann ihm das Kinn hinab, lief ihm den Hals hinunter auf sein Hemd. Als er die Flasche in den Sand fallen ließ, spürte er einen heftigen Magenkrampf.
    Dell hörte Metall kreischen, als der alte Mann und der Junge den Handkarren den Weg hinauf zu den Hütten zogen.
    Der Junge hatte eine Banane – die aufgeplatzte Schale schwarz und feucht – auf einen Stein neben Dell gelegt. Er nahm die Banane und sah sie an. Und mit einem Mal heulte er los. Fäden von Rotz und Spucke hingen ihm vom Kinn, während er hemmungslos weinte.
    ***
    Zondi wachte mit Gedanken an das Grab seiner Mutter auf. Sah verschmutzte Männer zerfaserte Seile umfassen und den Kiefernsarg in rote Erde absenken, die aufgehackt wie eine klaffende Wunde vor ihnen lag. Er war zu arm gewesen damals, um einen anständigen Sarg kaufen zu können. Dachte, ein Sarg ist ein scheiß Sarg, Mann. Du klingst ja schon wie die Idioten in diesem Tal . Der Schweiß der Ärztin und der Geruch der Gitanes hafteten noch in den Laken. Zondi stand auf, duschte und zog sich an. Packte die Reisetasche. Verließ das Zimmer. Schob den Schlüssel unter der Tür der Belgierin durch und verließ das Gebäude. Klapperte in dem Ford davon, ließ die Stadt in einer Staubwolke hinter sich.
    Du wirst nach Dundee fahren.

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