Stauffenbergs Gefaehrten
die Front versetzen zu lassen, vielleicht um der quälenden Ungewissheit und Tatenlosigkeit zu entfliehen oder von seiner Einbindung in die Staatsstreichpläne abzulenken, scheitern an seinem Alter. So bittet er am 11. August 1944 das Stellvertretende Generalkommando des III . Armeekorps um die Prüfung seines Gesuches auf »Frontverwendung«. Auffallend ist, dass er in diesem Brief auf ein Gesuch Bezug nimmt, das er »schon 5 Wochen zuvor« gestellt habe. Das wäre Mitte Juli und damit vor dem Attentat gewesen. Von seinem Versuch, wieder Soldat zu werden, berichtet Plettenberg sogar noch früher, am 18. Juni, Marion Dönhoff und begründet das so: »Mir gehtâs nur völlig gegen m. Innerstes, daheim zu sitzen, wenn um OstpreuÃen gekämpft wird.« Die Handschrift ist kaum entzifferbar. Der Brief scheint unter äuÃerster Anspannung geschrieben worden zu sein, vermuten seine Kinder im Rückblick und erklären dies mit dem bevorstehenden Umsturzversuch. Möglicherweise ist der Brief auch Zeichen seiner Verzweiflung, dass Freunde und Weggefährten an den Schrecken des Krieges zu leiden haben, besonders in seiner Lieblingslandschaft OstpreuÃen, während er zu Hause relativ geschützt ein halbwegs normales Leben führt. Ein Abrücken von den Mitverschworenen des 20. Juli ist daraus nicht abzuleiten, denn ihm war klar, dass er nicht unmittelbar Aufgaben beim Umsturz übernehmen sollte. Eine Erklärung für Plettenbergs damalige Gemütsverfassung, für seine Versuche, an die Front zu kommen, obwohl er zu Beginn des Krieges seine »pazifistische Haltung« betont hat, findet sich in einem Absatz aus dem Buch Die Stimme des Krieges des französischen Biologen und Psychologen René Quinton, den Plettenberg angestrichen hatte: »Alle gesellschaftlichen Fesseln sind gefallen, die Quälerei der Karriere, die Sorge um das standesgemäÃe Auftreten, die Standesunterschiede, die Ungerechtigkeit der Beförderung, das Alleinsein, die Zermürbung und der Zweifel, am rechten Platz zu stehen, die Ziele, die durch keinen Mut und keine Anstrengung erreicht werden können, das ganze Netzwerk der Versuchungen, die Reibung des Lebens und die MittelmäÃigkeit der gesamten Verhältnisse. Das ganze gesellschaftliche Leben ist künstlich: Der Krieg zerbricht es. Es ist die âºWohltatâ¹ des Krieges, daà er den Menschen wieder dem ursprünglichen Leben zurückgibt.«
Es vergehen Monate der Ungewissheit, ehe am 3. März 1945 die Gestapo Plettenberg doch noch in Potsdam festnimmt. Kurz vor 10.30 Uhr treffen zwei Kriminalbeamte im Schloss Cecilienhof ein. Plettenberg geht mit den Beamten in sein Arbeitszimmer und bittet zehn Minuten später Louis Müldner, den Kabinettschef und Chef der Hofverwaltung, zu sich, um ihm mitzuteilen, dass er nach Berlin in die Prinz-Albrecht-StraÃe fahre. Sein Gepäck: ein kleiner Koffer mit warmen Sachen. Kaum ist Plettenberg mit den Kriminalbeamten weg, schreibt Müldner einen Brief an dessen Frau, in dem er die Verhaftung schildert und diese sehr bedauert. Auch berichtet er, dass die Beamten schon in den Tagen zuvor mehrfach in Cecilienhof aufgetaucht seien und vergeblich nach Plettenberg gefragt hätten. Bei der Festnahme hätten die Kommissare trotz Nachfrage keine Auskunft über den Grund gegeben, er wolle sich aber in den kommenden Tagen nach ihrem Mann erkundigen oder selbst nach Berlin fahren und sie in Bückeburg auf dem Laufenden halten. Das ist angesichts der schlechten Telefonverbindungen und der kriegsbedingten Probleme beim Postverkehr nicht einfach. Tatsächlich bemüht sich Plettenbergs Arbeitgeber darum, ihn aus dem Gefängnis zu holen. Doch die Gestapo hält das Haus Hohenzollern mit der Auskunft hin, es sei alles nicht so ernst, man wolle von Plettenberg nur einige Namen erfragen.
Seine Frau und Freunde hatten vergeblich versucht, Plettenberg im März 1945 von seiner Fahrt aus Bückeburg nach Berlin abzubringen. Das berichtet später Karin »Sissi« Dönhoff, die sich damals bei den Plettenbergs aufhielt. Doch er habe darauf beharrt, dringende Angelegenheiten der Hohenzollern vor dem Einmarsch der sowjetischen Armee regeln zu müssen. Zuvor war er zu Kronprinz Wilhelm gefahren, der damals zu Gast bei einem Baron Bockelberg in der Nähe von Baad in Ãsterreich war. Bei diesem Besuch hatte Plettenberg die aussichtslose Lage in Berlin und
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