Staunen über den Erlöser
Vergeben, irgendwo zwischen »Was hab ich da nur gemacht?« und »Das mach ich nie wieder!«. Zu zerknirscht, um um Vergebung zu bitten, aber zu loyal, um aufzugeben. Zu schuldig, um dazuzugehören, aber zu treu, um sich abschreiben zu lassen.
Und kennen wir das nicht alle? Haben wir es nicht alle schon erlebt, wie die Sandburgen unserer schönen Vorsätze und Beteuerungen von den Wellen der Angst und Verunsicherung weggerissen wurden? Wie unsere Versprechungen und Gehorsamsbeteuerungen in Stücke zerfetzt wurden von der Kettensäge der Furcht? Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der nicht schon einmal genau das getan hat, was er ganz und ganz bestimmt nie tun wollte. Wir alle sind schon halb betäubt durch die Straßen von Jerusalem geschlichen.
Warum kamen die Jünger zurück? Was war der Grund? Gerüchte, dass Jesus auferstanden war? Das mit Sicherheit auch. Die Männer, die Jesus so nahe gewesen waren, hatten es gelernt, das Ungewöhnliche von ihm zu erwarten. Sie hatten es erlebt, wie er einer Frau vergab, die fünf Männer hatte, bei einem Steuereintreiber und Ausbeuter der Spitzenklasse einkehrte und sich von einer Bordsteinschwalbe, deren Ruf selbst uns Heutigen die Sprache verschlagen hätte, die Füße salben ließ. Sie waren dabei gewesen, als er Dämonen aus Besessenen austrieb und braven Kirchgängern Gottesfurcht beibrachte. Er hatte Traditionen umgestoßen, Aussätzige geheilt, Sünder zum Singen gebracht. Er hatte Pharisäer zur Weißglut gebracht und Tausenden das Herz angerührt. Wer drei Jahre lang so etwas erlebt hat, packt nicht einfach die Koffer und geht zurück nach Hause.
Vielleicht war er wirklich von den Toten auferstanden?
Aber es waren nicht nur die Gerüchte vom leeren Grab, die sie zurückbrachten. In ihren Herzen war etwas, das es ihnen einfach nicht erlaubte, mit ihrem schmählichen Verrat zu leben. Denn so gut ihre Entschuldigungen auch sein mochten, sie waren nicht gut genug, um zu übertünchen, was Sache war: Sie hatten ihren Meister verraten. Als Jesus sie am meisten brauchte, waren sie feige geflohen. Und jetzt mussten sie sich ihrer Schande stellen.
Sie suchten Vergebung, aber wo konnten sie sie finden? Und so kamen sie zurück, in dasselbe Obergemach, wo sie das Brot gebrochen und den Wein des neuen Bundes getrunken hatten. Die bloße Tatsache, dass sie zurückkamen, sagt uns einiges über ihren Meister. Es sagt uns einiges über Jesus, dass die Menschen, die ihn am besten kannten, den bloßen Gedanken, bei ihm in Ungnade zu sein, nicht aushielten. Für die ersten Jünger von Jesus gab es im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Kapitulation oder Selbstmord. Und es sagt uns noch mehr über Jesus, dass die, die ihn am besten kannten, wussten: Obwohl sie ihre Treueversprechen so schmählich gebrochen hatten, konnten sie immer noch Vergebung finden.
Und so kamen sie zurück. Jeder mit einem Album voller Erinnerungen und einem dünnen Faden der Hoffnung. Jeder mit dem Wissen, dass alles aus war, und doch der Hoffnung im Herzen, dass noch einmal das Unmögliche geschehen würde. »Wenn ich nur noch einmal eine Chance hätte …«
Da sitzen sie also. Das Gespräch tröpfelt. Gerüchte über ein leeres Grab. So, so. Jemand seufzt. Ein anderer steht auf und verschließt die Tür. Jemand scharrt mit den Füßen.
Und gerade als die Stimmung schwarz wie Tinte werden will, als Logik und Verstand den frommen Wünschen den Garaus machen wollen, gerade als einer von ihnen sagt: »Ich würde meine unsterbliche Seele dafür geben, ihn noch einmal sehen zu dürfen« – da kommt ein bekanntes Gesicht durch die Wand.
Mannomann, was für ein Finale. Oder, besser gesagt, was für ein Anfang! Überlesen Sie sie nicht, die Hoffnung in dieser Geschichte. Für all die unter uns, die wie damals die Apostel feige davongerannt sind, als sie hätten fest stehen sollen, ist dieser Bibelabschnitt voller Hoffnung. Ein reumütiges Herz - mehr verlangt Jesus nicht. Komm heraus aus den Schatten! Versteck dich nicht mehr! Ein bußfertiges Herz genügt, um den Sohn Gottes persönlich herbeizurufen, mitten durch unsere Wände der Schuld und der Scham hindurch. Er, der damals seinen Jüngern vergab, ist bereit, uns allen zu vergeben. Wir brauchen nur zurückzukommen.
Kein Wunder, dass sie ihn den Erlöser nennen.
Kapitel 15
Der eine, der blieb
Ich habe den Apostel Johannes immer als jemanden empfunden, der das Leben durch eine einfache Brille betrachtete. »Recht ist recht, und Unrecht ist unrecht, und
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