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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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nein, diesmal hatte er seinen Schlüsselbund nicht vergessen. Das wäre wohl zu viel des Glücks gewesen.
    Das Problem war: Sie hatte bei ihrer letzten Suchaktion im Büro den Schlüssel des Aktenschranks nicht zurück an seinen Platz getan. In der Eile, als es klingelte, hatte sie es schlicht vergessen. Mit großem Schreck hatte sie danach den blanken, neuwertig aussehenden Schrankschlüssel in der eigenen Hosentasche gefunden und dazu noch den mysteriösen verrosteten Schlüssel, den sie zwischen Pappdeckeln im 1994er-Ordner gefunden hatte. Dass sie dieses alte Ding entwendet hatte, würde ihrem Mann wahrscheinlich in Jahren nicht auffallen. Aber das Fehlen des Schrankschlüssels konnte ihm kaum lange verborgen bleiben.
    Seit vorgestern lebte Sabine Stolze daher in steter Angst. Bei jedem Geräusch aus dem Büro dachte sie: Jetzt ist es so weit. Jetzt will er an den Schrank und hat es entdeckt. Ihr fiel keine Geschichte ein, mit der sie sich herausreden könnte. Außer der Wahrheit eben. Nämlich dass sie neugierig gewesen war und in Berts Abwesenheit im Büro geschnüffelt hatte. Bert würde das rasend machen. Sabine durfte gar nicht daran denken.
    Andere Frauen würden sich all das wahrscheinlich nicht bieten lassen. Zumindest vermutete sie das, denn Freundinnen hatte sie schon lange nicht mehr. Andere Frauen waren jedoch auch nicht in ihrer Lage. Und andere Ehemänner ebenso wenig in der Berts.
    Sabine saß auf dem Badewannenrand, die Hose ihres Mannes in den Händen. Verzweifelt dachte sie nach. Gab es denn nun gar keine Möglichkeit, den Schrankschlüssel heimlich zurückzubringen? Konnte sie nicht irgendwie von außen herein? Es gab doch sicher Tricks, wie man ein Fenster oder eine Terrassentür von außen öffnete.
    Rasch hängte sie Berts Sachen auf, streifte sich in der Diele die Gartenclogs über, schnappte einen Schirm und lief durch den Regen ums Haus. Nein, schade, im Büro war kein Fenster gekippt. Am Rahmen der Terrassentür fanden sich merkwürdigerweise Reste von Klebeband. (Klebeband? An was erinnerte Sabine das? Hatte Bert nicht neulich Klebeband von ihr verlangt?) Aber die Tür war definitiv zu. Hier kam sie nicht weiter. Höchstens könnte man ganz primitiv das Glas einschlagen. Aber warum eigentlich nicht? Sie würde die Tür einschlagen, rasch den Schlüssel zurück an seinen Platz legen, ums Haus zurück in die Wohnung gehen, die Polizei anrufen und so tun, als sei ein Einbruch geschehen. – Nein, um Himmels Willen! Nicht die Polizei! Bei der Vorstellung, wie die Polizisten das Büro durchsuchten, wurde Sabine eiskalt. Was war nur mit ihr los, dass sie auf solch dumme Ideen kam? Ihr Mann hatte ganz recht, wenn er ihr nicht zutraute, vor Dritten das Geheimnis zu bewahren. Deshalb sah er es so ungern, wenn sie Kontakte hatte. Deshalb durfte sie keine Freundschaften pflegen.
    Aber eigentlich …
    Sie musste ja gar nicht die Polizei anrufen. Sie musste nur gegenüber ihrem Mann so tun, als habe ein Einbruch stattgefunden. Davor musste sie ein bisschen Unordnung im Büro machen, damit es nach Einbruch aussah, und hinterher behaupten: Sie habe nicht gewagt, die Polizei zu holen, aus den gewissen Gründen. Das war zwar alles auch nicht ohne. Aber wenigstens konnte Bert ihr dann nicht nachweisen, dass sie geschnüffelt hatte.
    Wie gut, das Sebastian gleich Rudertraining hatte. Natürlich wäre es am einfachsten, den Jungen einzuweihen und ihn Schmiere stehen zu lassen. Aber sie wollte Basti nicht zum Komplizen machen. Das alles war schon belastend genug für ihn.
    Sabine eilte zurück ins Haus, wechselte die Schuhe und trippelte die Treppen hoch. «Basti? Basti?»
    Er saß vorm Computer.
    «Ja, Mam?»
    «Sag mal, musst du nicht zum Training?»
    Er stöhnte. «Mam! Hast du das Wetter gesehen? Ich glaub, ich hab heut keinen Bock.»
    «Aber Basti! Die Annegret und die anderen rechnen doch mit dir! Du willst doch nächstes Jahr bei den Wettkämpfen mitmachen!»
    Sebastian stöhnte wieder, stand aber auf. «Also gut», seufzte er. «Dann mach ich mich mal fertig.»
    Kaum war Sebastian fort, schritt Sabine zur Tat. Dumm nur, dass es Samstag war. Die Dudek von nebenan war sicher zu Hause. Doch sie musste es tun. Es war vielleicht ihre letzte Chance. Montag würde neue Post kommen. Spätestens dann würde Bert zum Abheften den Aktenschrank öffnen wollen und den Schlüssel vermissen.
    Immerhin gab es auf der Terrasse einen Sichtschutz zum Nebenhaus. Die Dudek würde zumindest nicht erkennen, dass es

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