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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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war nicht nur ein Sack, dass war gleich ein ganzer Haufen von über- oder ineinanderliegenden zerrissenen Säcken. Der Geruch nach alten Monatsbinden war penetrant. Ihre Hand kam an etwas, das sich ähnlich anfühlte wie kalter, steifer Grießbrei. Igitt. Irgendein Küchenmüll. Die Farbe glich aber nicht Grießbrei, sondern war dunkel, leicht glänzend mit hellen Stippen.
    Erbrochenes?
    Jedenfalls war es widerlich. Sabine ging fluchtartig zurück in den Vorraum; hier war ein altes Waschbecken, nun musste sie sich erst einmal die Hände waschen. Da hörte sie das Auto oben in die Garageneinfahrt fahren.
    Keine Zeit mehr zum Händewaschen. Bloß schnell hoch. Und vorher die Metalltür wieder von außen abschließen. Im Halbdunkel fand sie das Schlüsselloch nicht gleich. Während Sabine mit klebrigen Händen an dem Schloss herumstocherte, kam ihr erst wieder zu Bewusstsein, dass sie die Terrassentür eingeschlagen hatte und ihrem Mann jetzt ein Theater wegen eines Einbruchs vorspielen musste. Und als Zweites fiel ihr siedend heiß ein: Sie hatte ja vergessen, im Büro die Schubladen herauszureißen und Unordnung zu schaffen, um einen echten Einbruch zu simulieren.
    Endlich hatte sie wenigstens das Schlüsselloch getroffen, schloss ab. Von draußen hörte sie, wie das Garagentor zuging. Ach, sie würde sagen, sie habe geschrien und den Einbrecher vertrieben, bevor er viel ausrichten konnte. Ein maskierter Mann. Sie habe ihn noch über den Garten zum Main flüchten sehen. Jetzt bloß hoch, schnell. Ganz oben auf der Kellertreppe, im Licht der Vierzig-Watt-Funzelbirne, sah Sabine ihre rechte Hand: schwarz beschmiert, und an einem Finger klebte eine weiße Made. Sie schrie. Spürte Brechreiz. War einen Moment wie gelähmt. Dann hörte sie oben die Haustür gehen, die Schritte ihres Mannes in der Diele.
    Sabine knipste das Treppenlicht aus. Bloß leise atmen. Sie zog die Schuhe von den Füßen und schlich zurück nach unten.
    Mit zitternder Hand öffnete sie am Waschbecken im Vorraum den Wasserhahn. Nichts kam. Sie drehte weiter auf. Das Rohr gab ein durchdringendes pfeifendes Geräusch von sich, bevor ein schwacher Strahl herauströpfelte.
    «Sabine! Sabine …», hörte sie Bert oben brüllen, dann seine Schritte fast direkt über ihr, im Büro.
    Doch jetzt wagte sie sich nicht mehr hoch. Musste erst nachdenken. Ein Instinkt trieb sie, sich zu verstecken. Sie schlich zur Metalltür, schloss wieder auf, da hörte sie, wie sich oben die Tür zur Kellertreppe öffnete. Sie sah noch, wie das Licht anging, bevor sie sich leise wie ein Mäuschen in dem verbotenen Raum einschloss. Um keine Geräusche zu machen, blieb sie still an der Tür stehen.
    Bert brüllte im Vorraum herum: «Sabine!» Dann ging er wieder hoch. Ohne die Metalltür auch nur probiert zu haben. Gut.
    Sabine verstand nichts, wollte nichts verstehen, nicht solange sie noch hier im Haus war. Aber sie wusste, sie musste jetzt weg von Bert. Vielleicht könnte sie bei ihrer Schwester bleiben, zu der hatte sie zwar kein gutes Verhältnis, und der Kontakt war seit Jahren bis auf Weihnachtskarten eingeschlafen. Aber in einem Notfall … Bei der Vorstellung, sie würde verzweifelt von der Bahnhofsmission aus ihre Schwester anrufen, überkam sie die Scham.
    Gut, dann anonymer. Es gab doch so etwas wie Frauenhäuser. Sie würde behaupten, Bert habe sie geschlagen oder bedroht. Das stimmte zwar nicht ganz … Oder vielleicht würde sie sich in die Psychiatrie einweisen lassen. Das war es. Sie war psychisch krank. Ihre panische Angst jetzt. Weswegen eigentlich? Wegen eines verfaulten Breis von jahrzehntealtem Müll? Sabine konnte nicht mehr einschätzen, welche ihrer Reaktionen normal waren und welche nicht. Dass sie heute die Terrassentür eingeschlagen hatte, war wahrscheinlich ein Zeichen von Wahnsinn. So handelten Verrückte. Sie war das Problem, nicht ihr Mann.
    Und Basti?
    Jahrelang war es Basti gewesen, der sie hatte aushalten lassen. Basti und die Angst, als Versagerin, als verachteter Sozialfall dazustehen, den Status der gutbürgerlichen Ehefrau zu verlieren. Doch Basti war jetzt sechzehn. Es ging ihm gut, sicher besser als ihr und Bert. Er brauchte sie nicht mehr. Wahrscheinlich war sie sogar eine Belastung für ihn.
    Aber wenn das eben doch altes Blut …
    Ruhig, ganz ruhig. Sie beschloss, alles der Polizei zu erzählen. Dann sollten die entscheiden, ob sie in die Psychiatrie gehörte oder ins Frauenhaus und was sie gegen Bert unternehmen mussten. Aber

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