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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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sprach so laut, dass die Umsitzenden fast alles verstanden.
    «Ja, hallo, Herr Nötzel. Ich bin gerade hier in der JVA bei Herrn Benedetti. Würden Sie bitte einen Wagen für meinen Mandanten schicken? Er will jetzt sofort sein Geständnis widerrufen. Der Anlass ist, dass ich ihm von seiner Frau ausgerichtet habe, dass sie die Tat definitiv nicht begangen hat. Mein Mandant wollte die ganze Zeit nur Frau Serdaris schützen. Aber ich denke, dass Ihnen das ohnehin klar war.»
    Nötzel sah unterm rötlich grauen Bürstenschnitt entnervt drein.
    «Wissen Sie was, Herr Manteufel?», sagte er gereizt ins Handy. «Wir hatten hier alle eine harte Woche. Ich habe zwanzig Fälle gleichzeitig zu bearbeiten, und die Kollegen von der Kripo haben auch noch zwei, drei andere Kleinigkeiten zu tun, als Ihnen zu Diensten zu sein. Wenn Ihr Herr Benedetti uns eine Woche lang Lügengeschichten auftischt und dann am Freitagabend auf die glorreiche Idee kommt, dass er alles widerrufen will, dann wird er sich leider bis Montag damit gedulden müssen. Nicht wahr. Jawohl. Und falls Sie glauben, dass der Herr Benedetti Montag als Erstes auf die Tagesordnung kommt: Der Tag ist schon verplant. Wir müssen sehen, ob und wann wir Ihren Mandanten dazwischenschieben können. Ansonsten wird es Dienstag. Ich wünsche ein schönes Wochenende. Auf Wiederhören.»
    «Frechheit», kommentierte Nötzel, während er das Handy wegsteckte. «Der Manteufel ist mir sowieso ein Dorn im Auge. Der hat sich die Unterschrift für die Akteneinsicht über Vitamin B besorgt. Aalglatter Typ. Verteidigt sonst Steuersünder und Veruntreuer.»
    «Ähm», meldete sich Aksoy. «Also, dass passt doch jetzt eigentlich nicht zur These von Serdaris’ Schuld, oder? Dass sie ihm ausrichten lässt, sie wäre es nicht gewesen, und dann widerruft er? Wenn es stimmt, dass die beiden gemeinsam die Leiche beseitigt haben, dann weiß er doch, dass sie es war.»
    Ein mitleidiges Raunen ging durch die Runde. Fock wandte sich wohlwollend-gönnerhaft in Aksoys Richtung. «Liebe Kollegin vom KDD, Sie haben noch einiges zu lernen. Man muss nicht immer alles glauben, was ein Beschuldigter oder sein Verteidiger sagt. Verstanden?»
    Pietsch lachte zynisch.
    Aksoy sah ernst drein.
    «Ehrlich gesagt, ich verstehe das nicht», sagte sie. «Bereut Benedetti jetzt, dass er sich für sie opfern wollte? Wenn er widerruft, liefert er jedenfalls seine Frau ans Messer.»
    «Ach, nein», sagte Fock und verbarg ein Gähnen. «Ach, Frau Aksoy. Das Pärchen denkt natürlich, sie sind beide aus dem Schneider, weil wir einen zweiten Verdächtigen in Haft haben. Die glauben, wir haben uns jetzt auf den Naumann eingeschossen. Also spielen sie uns eine Komödie vor, damit Benedetti sich rauswinden kann. Na, da bin ich aber gespannt, wie unser Ganovenpärchen staunen wird, wenn sie am Montag hören, der Beschuldigte Naumann wurde entlassen. – So, meine Herrschaften. Sitzung beendet.»
    Focks Erklärung war plausibel. Doch auch bei Winter hatte sich seit dem Anruf des Anwalts ein ungutes Gefühl eingeschlichen. Als kühl kalkulierende Schauspieler hatte er bislang weder Benedetti noch die Serdaris kennengelernt.
    Schweigend kehrten Winter und Aksoy ins Büro zurück. Sie fanden es leer vor; auf dem Flipchart stand in großen Buchstaben die Aufschrift: Bon Weekend!
    Sie lachten beide los. «O Gott, dieser Kettler», sagte Aksoy.

[zur Inhaltsübersicht]
    12
    Der Samstag brachte strömenden Regen.
    Das Wasser unterhalb der Staustufe brodelte schwarz mit gelben Gischträndern. Die Walzen des Wehrs waren auf leichten Überlauf eingestellt. Das dumpfe Rauschen nahm kein Ende. An solchen Tagen hasste Sabine Stolze ihre Wohnung besonders. In Küche und Wohnzimmer war es sogar mittags noch so düster, dass man das Licht zum Lesen anschalten musste. Direkt nach dem frühen Mittagessen entfloh ihr Mann der Tristesse: Er habe einen «Termin mit einem Kunden».
    Frau Stolze war überrascht. Solche Kundentermine pflegten sonst bei strahlendem Wetter oder aber am Abend stattzufinden. (Sabine hatte den Verdacht, dass die angeblichen Termine nur Vorwände waren, die es Bert erlaubten, draußen irgendwelchen Amüsements nachzugehen oder sich luxuriöse Elektronik zu kaufen.) Jedenfalls konnte es ihr nur recht sein, wenn er jetzt ging. Sie lauerte ja die ganze Zeit auf ihre Chance. Wie erwartet zog Bert sich vor dem Ausgehen im Bad um. Sobald er weg war, schlüpfte Sabine ins Bad und griff in die Taschen der Haushose – aber

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