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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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hier verbringt als mit irgendwelchen zwielichtigen Figuren.»
    «Ach? Du findest es also besser, sie nicht mit Vorwürfen zu belästigen, während sie ihr Leben gegen die Wand fährt? Lass mich zusammenfassen: Madame kifft, schwänzt regelmäßig die Schule und fälscht dazu deine und meine Unterschrift, sie hat alle ihre alten Freude abgestoßen, redet nicht mehr mit ihren Eltern, verbringt ihre Tage herumlungernd an der Konstablerwache, bleibt mit einem wesentlich älteren halbkriminellen Drogendealer und Discotürsteher nächtelang weg, und zwischendurch sieht sie gefühllos zu, wie ein alter Schulfreund ertrinkt. Aber du denkst, man soll aus Rücksichtnahme lieber nichts sagen? Hallo, in welcher Welt lebst du eigentlich? Ist dir deine Tochter völlig egal?»
    Winter seufzte. «Mensch, Caro, du weißt genau, dass mir Sara alles andere als egal ist. Ich bin nur überfordert, genau wie du. Übrigens, mit dem Schuleschwänzen, ich dachte, das war nur zweimal und betraf nur Sport?»
    Carola lachte sarkastisch. «Und du willst Polizist sein? Für jedes Mal, dass wir es herausgefunden haben, gibt es zwanzig andere Male, die nicht aufgeflogen sind.»
    Winter sah gequält drein. Da mochte Carola natürlich recht haben, aber irgendwie erkannte er seine Frau in letzter Zeit nicht wieder, so verbittert und voller Vorwürfe.
    «Okay», sagte er. «Dann werde ich jetzt mal diesen Selim aufsuchen und mit ihm reden. Ich habe mir nämlich seine Adresse besorgt.» Ein Lob von Carola bekam er für den Entschluss nicht. Aber immerhin ließ sie ihn ohne weitere Vorhaltungen ziehen.
    Bevor er ging, sah Winter noch rasch bei seinem Sohn vorbei, der wie meist still in seinem kleinen Zimmer mit dem winzigen Gaubenfenster am Computer saß. Winter beschlich das Gefühl, dass Felix bei der vielen Aufregung um seine große Schwester ins Hintertreffen geriet.
    «Na, Großer?», fragte er und strich Felix kurz durch die Haare. «Hast du Lust, nächstes Wochenende mit der ganzen Familie nach Kassel zu Webers zu fahren? Die wohnen da sehr schön, und in Kassel gibt’s ’ne Menge zu entdecken.»
    Felix zuckte mit den Schultern. «Nick hat mir schon geschrieben, dass sein Vater uns eingeladen hat», sagte er lakonisch. «Ich hab ihm gesagt, ich weiß nicht, ob das mit unseren Frauen so lustig wird.»
    Winter staunte in doppelter Hinsicht.
    «Du hast Kontakt mit Nick Weber?», fragte er.
    «Über Facebook halt.»
    Na klar, dachte Winter, was sonst. Ihm kam eine Idee. «Sag mal, Großer, angenommen, die Frauen wollen nicht mit – was meinst du, wollen wir gemeinsam fahren und uns ein Männerwochenende machen?»
    In Felix’ Gesicht blitzte Freude auf. «Au ja», rief er, dann milderte er den uncool-kindlichen Ausdruck sofort ab. «Also, keine schlechte Idee.»
    Winter grinste. Da hatte er bei einem seiner Kinder mal ins Schwarze getroffen. Wenn sich jetzt nur Sara nicht ausgeschlossen fühlte. Carola hatte sich eben sowieso unlustig gezeigt. Dabei war früher Carola die Soziale in der Familie gewesen, die ständig Einladungen organisierte.
    «Sag mal, mein Junge, was machen wir denn mit unseren Frauen, damit die nicht beleidigt sind, dass wir sie hier sitzenlassen?»
    Felix überlegte kurz. Dann sagte er: «Ich weiß. Sie kriegen jede ein Paar Schlittschuhe und Eintrittskarten für die Eissporthalle. Das würde jedenfalls die Supernanny so machen.»
    «Wie bitte? Die Supernanny?» Winter war entsetzt. Er hatte eine vage Vorstellung von verhaltensgestörten Kindern, die medial vorgeführt und mit zweifelhaften Disziplinarmaßnahmen traktiert wurden. «Ich seh das manchmal im Internet», sagte Felix. «Wenn es nur noch Zoff zwischen einem Teenie und den Eltern gibt, dann schickt die Supernanny die zusammen irgendwas Spaßiges machen. Dass sie auch mal was Positives miteinander erleben. Gar nicht so dumm, die Frau.»
    War es so schlimm in ihrer Familie, dass Felix sich Rat von einer niveaulosen Fernsehsendung erhoffte? Allerdings, die Idee mit dem Eislaufen war die schlechteste nicht. Winter klopfte seinem Sohn auf die Schulter. «Okay, Großer. Dann gehe ich jetzt mal was erledigen.»

    Winter stellte den Wagen im Parkhaus am Baseler Platz ab und lief zum Untermainkai. Die Sonne war schon untergegangen. Vom Holbeinsteig hätte man jetzt einen wunderbaren Blick auf die erleuchtete Skyline und den Main. Doch Winter betrat die Brücke nicht, für die raren Schönheiten seiner Stadt fehlte ihm heute jede Aufmerksamkeit.
    Das Haus, in dem Selim Okyay

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