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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Mädchen mit Problemen gerate. Er habe gedacht, dass sie anders sei, normaler, stabiler, eine Gymnasiastin aus intakter Familie. Aber nein, sie sei offensichtlich wieder eine, die ihn mit ihrem Psychokram ersticken werde, ihm nichts als Sorgen und Ärger mit der Bullerei beschere. Es sei besser für beide, wenn ihre Wege sich jetzt trennten. Sie sei sowieso zu jung.
    Das hatte schrecklich wehgetan. Nach dem ersten schweren Schmerz hatte sie fast schon begonnen, ihn zu hassen. Aber vielleicht würde jetzt alles gut.

    «Wenn du ihn nicht reinlässt, geh ich halt mit ihm weg», sagte Sara.
    Winter zuckte mit den Schultern. Was blieb ihm übrig? Er machte kehrt, schickte den zweifelhaften Selim zu Sara. Dann suchte er Carola im Wohnzimmer auf, um mit ihr zu verabreden, dass sie sich den jungen Mann hinterher gemeinsam vornehmen würden. Als Türke würde er sicher erst recht verstehen, dass Eltern gerne genauer wussten, mit wem ihre Tochter sich abgab.
    Doch Carola regte sich zunächst einmal darüber auf, dass Winter Selim überhaupt hereingelassen hatte. «Was denkst du dir nur! Du hättest ihm an der Tür gleich sagen müssen, Sara ist nicht da, basta. Da fragt man doch Sara nicht!»
    Bevor das zu einem handfesten Streit ausarten konnte, klingelte das Telefon. Winter war froh über die Unterbrechung, ging in den Flur und hob ab.
    «Winter.»
    «Andi, altes Haus! Hier ist Gerd. Na, wie war die erste Woche ohne mich?»
    Winter lachte. «Anstrengend», sagte er. «Echt anstrengend. Kam mir vor wie drei Wochen statt eine. Und ganz ehrlich, alter Junge, ich vermisse dich.»
    «Hör mal zu, ich hab eine Idee. Claudi und ich sind schon ziemlich gesettelt im neuen Haus. Claudi ist ja schon seit sechs Wochen da. Wir wohnen hier superschön am Park Wilhelmshöhe. Die Wohnqualität in Kassel ist eben fürs gleiche Geld um Klassen besser als in Frankfurt. Jedenfalls, Andi, wollt ihr nicht nächstes Wochenende kommen? Du, Carola und die Kinder? Von Samstag auf Sonntag. Wir machen uns ein schönes, harmonisches Familienwochenende. Es gibt in Kassel genügend Museen, falls schlechtes Wetter ist. Ansonsten Wandern im Park. Und wir beide klönen. Was meinst du?»
    «Von mir aus gern.»
    Ob er allerdings die anderen Familienmitglieder zu einem Harmonie-Wochenende überreden konnte, da hatte Winter so seine Zweifel.
    Vorläufig schaffte er es nicht einmal, seinen Plan umzusetzen und sich Selim vorzuknöpfen. Während er nämlich der gereizten Carola von Gerds Einladung erzählte, hörte er ganz unten die Haustür schlagen. Ein Instinkt trieb ihn, aus dem Wohnzimmerfenster zu sehen, da entdeckte er auf der anderen Straßenseite Sara und Selim, die in einen ziemlich dicken Wagen älterer Bauart stiegen und fortfuhren. «Sara fährt gerade mit Selim weg», verriet Winter Carola. «Die haben sich klammheimlich rausgeschlichen.»
    «Ach, überrascht dich das?», sagte seine Frau. «Das war doch von dem Moment an klar, wo du ihn reingelassen hast. Jetzt wird sie wieder die ganze Nacht mit diesem üblen Typen herumziehen und Drogen nehmen und nicht nach Hause kommen.»
    Glücklicherweise klingelte jetzt neuerlich das Telefon. Es war Carolas Schwester. Winter reichte den Hörer weiter und verzog sich rasch mit dem Buch des Herrn Naumann in die Küche.
    Gegen siebzehn Uhr, Winter hatte fast anderthalb Stunden gelesen, hörte er einen Schlüssel in der Wohnungstüre gehen. Sekunden später erklang Carolas Stimme im Flur. «Was hast du dir nur dabei gedacht», hörte er sie schimpfen, «noch einmal mit diesem kriminellen Typen wegzugehen, nach allem, was passiert ist? Nachdem er Lenny Petzke hat sterben lassen?»
    Winter trat jetzt auch in den Flur. Sara stand mit rotem Gesicht und zusammengekniffenem Mund bei der Tür. Sie warf ihrer Mutter einen hasserfüllten Blick zu, ignorierte ihren Vater und verschwand ohne ein Wort in ihrem Zimmer. Innen drehte sich der Schlüssel.
    Carola ging zurück ins Wohnzimmer, Winter hinterher. «Schatz, du hast ja recht», begann er konziliant, nachdem er die Tür geschlossen hatte. «Aber das war gerade ein kleines bisschen unpädagogisch.» –«Unpädagogisch?», beschwerte sich Carola. «Du machst es dir leicht! Deine Methode ist es, gar nichts zu tun und deine Tochter verkommen zu lassen.»
    Carola warf sich aufs Sofa, Winter blieb stehen. Er fühlte sich getroffen. «Ich finde nur», sagte er, «dass wir Sara das Nachhausekommen nicht jedes Mal so sauer machen dürfen, wenn wir wollen, dass sie mehr Zeit

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