Steamed - MacAlister, K: Steamed
gewöhnlich hat jede Geschichte zwei Seiten, und bevor ich mir eine Meinung bilde, höre ich gerne beide Seiten.« Seine Augen, die so seltsam unterschiedlich waren und mir doch bis auf den Grund meiner Seele blickten, musterten mich mit verhaltener Neugier.
Ich schwieg ein paar Minuten, um meinen Gedanken eine andere Richtung zu geben. »Ich werde Sie irgendwie von der Tesla herunterschmuggeln müssen. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«
»Was passiert, wenn die Leute Ihres Spielgefährten es herausfinden?«
Ich betrachtete meine Fingerspitzen. »Der Kaiser hatte in der letzten Zeit viele Probleme mit Spionen, die von der Schwarzen Hand geschickt worden waren. Er hat angeordnet, dass jeder, der der Spionage verdächtig ist, sofort hingerichtet werden soll.«
»Du lieber Himmel!«, rief Jack aus. »Sie wollen doch damit nicht sagen, dass Sie getötet würden, wenn die Leute des Kaisers herausfänden, dass Hallie und ich an Bord sind?«
»Ich zweifle nicht eine Sekunde daran, dass ich als Spionin angeklagt würde«, antwortete ich und rieb über einen kleinen Fleck auf meinem Fingernagel.
»Aber der Kaiser ist doch ein Freund von Ihnen. Ein … äh … früherer Liebhaber?«
Er wollte mehr wissen, aber das machte mir nichts aus. Genug Leute wussten davon, und ich brauchte keine unnötige Energie darauf zu verwenden, die Wahrheit zu verbergen. »Die Gesetze sind eindeutig. Meine Beziehung zu William liegt lange zurück und hat keine Auswirkung auf jetzige Handlungen. Wenn ich als Spionin verurteilt würde, würde ich hingerichtet.«
»Das tut mir leid«, sagte Jack nach kurzem Schweigen.
Ich blickte auf. Sein Gesichtsausdruck war ernst.
»Es tut mir leid, dass ich Sie in eine solche Zwangslage bringe. Sie scheinen eine nette Frau zu sein, Octavia. Ich bedauere nicht im Geringsten, Sie kennengelernt zu haben, aber ich bedauere sehr wohl, dass ich Ihnen solche Probleme bereite.«
Mehrere Antworten gingen mir durch den Kopf: Ich konnte ihm sagen, es sei schon in Ordnung (aber das stimmte nicht); ich konnte behaupten, er müsse sich keine Sorgen machen (aber das sollte er wohl besser); ich konnte einfach sagen, wir würden schon damit fertigwerden (wie?), aber aus meinem Mund kam etwas völlig anderes. »Ich weigere mich, mich zu Ihnen hingezogen zu fühlen«, sagte ich und beugte mich vor. »Sie können so charmant sein, wie Sie wollen, aber das bedeutet mir nichts. Absolut gar nichts.«
Seine Augen weiteten sich erstaunt, und mir wurde klar, was ich gesagt hatte. Am liebsten hätte ich mir die Hand vor den Mund geschlagen und wäre vor lauter Verlegenheit davongelaufen.
»Ich muss mich ein weiteres Mal bei Ihnen entschuldigen«, sagte ich steif und wünschte einen Moment lang, ich wäre tausend Meilen weit weg. »Ich kann Ihnen versichern, dass ich normalerweise nicht so unhöflich bin, auch nicht zu Fremden.«
»Aber ich bin froh darüber. Es nimmt eine schwere Last von mir. Sie haben ja keine Ahnung, wie zermürbend es ist festzustellen, ob eine Frau an einem interessiert ist, ohne dass man gleich der sexuellen Belästigung verdächtigt wird. Ich habe mich schon gefragt, wie ich es bei ihnen anstellen soll, wo Sie so zugeknöpft und gehemmt sind.«
»Ich bin nicht gehemmt«, widersprach ich und stand auf. »Allerdings habe ich nicht vor, das Thema weiter mit Ihnen zu erörtern. Ich entschuldige mich für meine ungerechtfertigten Äußerungen, aber damit ist es auch gut. Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich muss mich mit Mr Mowen beraten, wie wir Sie und Ihre Schwester am besten vor den Behörden an Land verstecken wollen.«
Er folgte mir, als ich zur Tür ging. Ich warf ihm einen strengen Blick zu, aber er grinste nur unbekümmert. »Sie wollen mich doch nicht alleine herumwandern lassen, oder? Doch nicht so einen berüchtigten Luftschiff-Piraten wie mich? Ich könnte gefährliche Dinge anstellen, wenn Sie mich nicht im Auge behalten.«
»Subtilität ist wohl nicht gerade Ihre Stärke«, sagte ich, meine Hand auf dem Türknopf.
»Subtilität fand ich immer schon langweilig«, sagte er und kam näher. »Vielleicht handele ich mir ja eine Ohrfeige dafür ein, aber was soll es? Man lebt schließlich nur einmal.«
Bevor ich ihn fragen konnte, was er vorhatte, legte er seine Hände auf meine Hüften und zog mich in die Arme.
»Was erlauben Sie sich?«, fragte ich.
»Ich werde Sie jetzt küssen, Octavia Emmaline Pye.«
»Sie dürfen mich mit Captain Pye anreden, und ich lehne Ihr
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