Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Tölpel! Verzieht euch bis nach Paris, ehe wir euch in den Arsch treten!«
Die Kameraden, die sich in ihrer Anspannung förmlich nach etwas sehnten, über das sie lachen konnten, stimmten in den Jubel mit ein, bis sich die donnernde Stimme des Sergeants vernehmen ließ. »Das reicht jetzt. Ihr seid selbst schneller in Paris, als ihr glaubt. Aber nicht, wenn ihr aus der Reihe tanzt. Bald ist Zeit genug zum Jubeln, Jungs.«
Es war entscheidend, jetzt die Disziplin aufrechtzuerhalten, damit die Männer in ihrer Freude über den Rückzug der wallonischen Infanterie nicht die Linien verließen, um womöglich den Fliehenden nachzusetzen. Denn Steel wusste, was sie oben auf der kleinen Anhöhe erwartete: die volle Streitmacht der französischen Kampflinien. Als die Grenadiere allmählich festen Boden unter den Füßen spürten, versuchte Steel, gegen seine innere Unruhe anzukämpfen. Und während er das tat, hörte er von weiter links einen Befehl von Major Charles Frampton: »Bataillon halt! Linienformation. Bereit machen zum Angriff.«
Der Befehl wurde von den anderen Offizieren weitergegeben, worauf die Soldaten gleichzeitig stehen blieben. Sie waren noch gut hundert Yards von den Franzosen entfernt, aber Steel war klar, dass dies nur ein Zwischenstopp sein konnte.
Er schaute sich nach Slaughter um. »Auf Befehl vorrücken, Sergeant!«
Ein Geschoss flog an seinem Kopf vorbei und grub sich in die Reihen hinter ihm. Einem Grenadier, Donaldson, einem netten Jungen aus Edinburgh, quollen die Gedärme aus dem Unterleib, einem anderen Burschen – Ned Tite – wurde ein Bein abgerissen. Als der Mann sich unter Schmerzen auf dem Boden wand und mit seinen Schreien die Kameraden verunsicherte, bedeutete Steel dem Sergeant, dafür zu sorgen, dass der Verwundete nach hinten gebracht wurde.
Lange konnten sie hier nicht mehr warten. Sie hatten schon genug aushalten müssen. Als hätte man seine Gedanken erhört, ertönte ein neuer Befehl aus dem Zentrum der Linie.
»Bataillon fertig machen zum Vorrücken. Bajonette nach vorn!«
Die mit Stahlklingen versehenen Musketen, die die Männer bislang mit den Läufen nach oben gehalten hatten, wurden nun vorgestreckt, bis sie waagerecht zum Boden waren.
»Bataillon … vorrücken!«
Abermals meldeten sich die Trommeln zurück, diesmal allerdings mit einem weniger lauten Rasseln. Es war mehr ein Klopfen, aber wenn die Feinde Königin Annes diesen Rhythmus einmal gehört hatten, erinnerten sie sich mit kalter Furcht im Herzen an das, was folgen würde. Mit grimmiger Entschlossenheit nahm das Bataillon die Anhöhe, obwohl die Kanonenkugeln weiterhin auf die Reihen herabregneten und Schneisen hinterließen wie eine riesige Sense im reifen Kornfeld. Als die Grenadiere die ersten Häuser des kleinen Dorfes Autre-Église erreichten, wurde jedem klar, dass die Franzosen nicht untätig herumgesessen hatten.
Jede Straße, jede noch so kleine Gasse, war verbarrikadiert worden, mit allem, was das Dorf zu bieten hatte: Hauptsächlich Möbel aus den Häusern und sonstiges Hab und Gut, das den Einwohnern lieb und teuer gewesen war und jetzt zu praktischen Zwecken missbraucht wurde. Die Barrieren waren zwar hastig errichtet worden, dafür aber von erfahrenen Soldaten, soweit Steel das auf die Schnelle beurteilen konnte. Tische und Stühle hatte man zusammengebunden und durch jede noch so schmale Öffnung Bajonette und Degen gesteckt – eine mit Klingen gespickte Abwehr, die kein Durchkommen zulassen sollte.
Hinter den Befestigungen warteten die Franzosen. Als die Grenadiere wie eine Woge gegen die hölzernen Barrikaden brandeten, gaben die weiß uniformierten Soldaten ihre tödlichen Salven ab. Aber das reichte nicht, um die Flut aus Rot aufzuhalten. Steel sah eine Möglichkeit, die Barriere zu überwinden, setzte einen Fuß auf ein Tischbein und sprang oben auf die Befestigung. Unter sich gewahrte er einen sonnengebräunten Franzosen, der mit dem Bajonett nach ihm stach, aber Steel war zu schnell für den Mann, wehrte den Stoß mit dem Degen ab und ließ die rasiermesserscharfe Klinge auf den Kopf des Gegners niedersausen. Die Schneide fraß sich durch den schwarzen Dreispitz und die Schädeldecke.
In Jubelstimmung drehte Steel sich kurz zu seinen Rotröcken um. »Mir nach, Grenadiere! Wir sind drin, Jungs. Tod den Franzosen!«
Steel wusste gut ein halbes Dutzend Männer hinter sich, als er sich über die Barriere schwang und in einem Gedränge aus weiß uniformierten Infanteristen landete.
Weitere Kostenlose Bücher