Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
diesen einen Wunsch. Mach, dass wir über den Fluss kommen und es bis zu den Franzosen schaffen. Und lass mich nicht sterben. Aber wenn ich schwer getroffen werde, dann lass mich um Himmels willen auf der Stelle tot sein. Lass mich nicht als Krüppel zurück. Lass mich leben, damit ich die Schlacht zu den Feinden tragen kann. Deine Feinde, wie es immer heißt. Die Feinde der Königin. Marlboroughs Feinde. Lass mich leben, damit ich die Franzosen töten kann.
Während Steel diese finstere Litanei im Geiste vor sich hin sprach, machte er sich bewusst, dass sie es bis zum Fuß der Anhöhe geschafft hatten und sich jetzt am Rande des Marschlandes befanden, nur noch wenige Yards vom Fluss entfernt.
Er wandte sich an Williams. »Tom, um Gottes willen, haltet die Männer zusammen. Lasst nicht zu, dass sie im sumpfigen Boden straucheln. Wir müssen die Formation halten.«
Slaughters Stimme tönte über den einsetzenden Gefechtslärm hinweg. »Aufschließen! Rechte Schulter zeigt nach vorn. Die Reihen schließen, ihr Hunde.«
Steel schaute wieder unverwandt nach vorn und murmelte weiterhin seine nutzlosen Gebete in den Hagel aus Geschossen hinein. In seinem Herzen wusste er, dass sein Schicksal vorbestimmt war … wenn er an diesem Pfingstsonntag sterben sollte, ließe sich daran auch nichts mehr ändern. Weder durch ein Gebet, noch durch sonst etwas. Aber er wusste auch, dass er noch kämpfen konnte. Und wenn das Schicksal ihn bis zu den französischen Linien vorließe, dann würde er, verdammt noch mal, alles daransetzen, damit dieser Tag nicht sein letzter auf Erden war.
2.
Es gab einen Trick in der Schlacht, um den Körper voll zum Einsatz zu bringen, während der Geist sich von den düsteren Aussichten jeder verstreichenden Minute löste. Steel kannte diesen Kniff und hatte ihn viele Male angewendet. Aber aus einem unerfindlichen Grund entzog sich ihm der Kunstgriff an diesem Morgen. Er schwitzte inzwischen stark. Nie hatte sein Uniformrock sich schwerer angefühlt, und die Muskete, die er sich über den Rücken geschnallt hatte, schien ihn nach unten zu ziehen und seine Schritte zu verlangsamen.
Er war erleichtert, dass die eigenen Geschütze den Beschuss aufrechterhielten, aber die französische Batterie hatte keinen Augenblick geschwiegen. Und bei jedem Schritt, der ihn näher zum Feind brachte, hatte er den Eindruck, dass wieder ein rot uniformierter Kamerad in den eigenen Reihen als blutiger Klumpen am Boden liegen blieb.
Ein Stück weiter vorne links konnte er durch die dichten Pulverschwaden die hohe Gestalt von George Hamilton, des Grafen von Orkney, ausmachen – unverkennbar in dem Brustpanzer, dem Kürass. Lord Orkney hatte sich zu Fuß an die Spitze der Brigade gesetzt und schritt beherzt aus. Ein Kämpfer, der es in sich hat, dachte Steel. Ein Mann, dem jeder Offizier nacheifern würde. Orkney war nicht nur ein kluger Taktiker, er machte auch aufgrund seiner Tapferkeit von sich reden. Für Steel zählte Tapferkeit in der Schlacht fast noch mehr als die Fähigkeit militärischen Denkens.
Bislang hatten sie das sumpfige Gelände erstaunlich leicht überwunden, sodass Steel sich schon fragte, warum er an Marlboroughs Urteilsvermögen gezweifelt hatte. Natürlich hatten sie die Laufgeschwindigkeit zu Beginn nicht durchhalten können, und an einer Stelle hatte ihnen der Fluss zunächst Schwierigkeiten bereitet. Aber sie hatten ihn schließlich durchquert und sich dann ihren Weg durch die gefährlichen »Spanischen Reiter« gebahnt: eine Barriere aus horizontalen Pfählen, aus denen Bajonettspitzen in tödlichem Winkel ragten.
Inzwischen überquerten sie das Tal des Flusses Petite Gheete, der unmittelbar an dem Dorf Autre-Église vorbeifloss. Während sie sich dem Feind näherten, eröffneten französische und wallonische Scharfschützen das Feuer und dezimierten die Reihen der Rotröcke, ehe sie sich zu den eigenen Linien zurückzogen. Die meisten Schützen schienen Wallonen zu sein – Französisch sprechende Niederländer. Das Durchhaltevermögen dieser Männer ließ indes oft zu wünschen übrig und war nicht zu vergleichen mit dem bedingungslosen Eifer der französischen Infanteristen. Steel sah sich in seiner Vermutung bestätigt, als er beobachtete, wie eine ganze Kompanie Wallonen zu den französischen Linien zurückströmte.
Während die Wallonen wie die Hasen davonliefen, wogte Jubel durch die britischen Reihen. Einer der Grenadiere, Dan Cussiter, rief ihnen hinterher: »Lauft doch, ihr
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