Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Laune klein beigegeben, sobald Boden erobert wurde. Aus welchem Grund könnte Lord Marlborough den Wunsch verspüren, mich zum Rückzug zu bewegen?«
Inzwischen waren auch die anderen Adjutanten von ihren Pferden gestiegen. Einer von ihnen, der ein wenig älter als Harley zu sein schien, trat vor und ergriff das Wort. »Entschuldigt, meine Herren. Lieutenant Greville Bennett, Mylord. Es handelt sich um keinen Rückzug im herkömmlichen Sinne, Lord Orkney. Vielmehr um einen taktischen Rückzug.«
Orkney schlug sich mit der Faust in die Handfläche der anderen Hand. »Taktischer Rückzug?« Er spie die Worte verächtlich aus. »Marlborough schickt mir fünf seiner schmucken Jungen, um mir das mitzuteilen? Um mich zum Rückzug aufzufordern! Denn es bleibt ein verdammter Rückzug, Mann, Taktik hin oder her. Nichts anderes. Warum sollte ich …«
Abermals schnellte Harleys Hand nervös zu seinem Degen. Steel schickte sich bereits an, sich zwischen die Kontrahenten zu stellen, als aus einer Seitenstraße zwei weitere Reiter kamen. Einer von ihnen war unverkennbar William Cadogan, die rechte Hand des Herzogs von Marlborough, seines Zeichens Generalquartiermeister. An seiner Seite ritt ein anderer Offizier, der etwas beleibter als Cadogan war und älter aussah. Steel erkannte ihn auf den ersten Blick: Colonel Jack Hawkins, einer der ältesten Freunde des Herzogs, war dem Generalstab in beratender Funktion zugeordnet. Es war Hawkins gewesen, der Steels Beförderung vorangetrieben hatte. Einen besseren Mentor als den Colonel konnte er sich kaum wünschen, doch er hatte Hawkins schon seit Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Hawkins und Cadogan ritten bis zu Orkney und stiegen ab. Cadogan begrüßte den vor Zorn bebenden General mit einem Lächeln. »Aber, aber, George. Ihr seht aus, als hättet Ihr Euch wieder einmal vergessen. Bleibt ruhig. Habt Ihr denn nicht die Instruktionen des Herzogs erhalten? Ihr sollt Euch zurückziehen und neu formieren, Mylord.«
Orkney schien zu schwanken. Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Sagt mir nicht, William, dass es der Wahrheit entspricht, was dieser … Junge hier zu melden hat. Soll ich tatsächlich dieses Dorf preisgeben? Das ist mein Sieg, Cadogan. Wir halten diese Stellung. Schaut Euch doch um.«
»Ich fürchte, dass der Befehl gilt, George. Ihr müsst wissen, Ihr seid einfach zu gut für uns und die Franzosen. Tatsache ist, dass Eure Attacke nie mehr war als eine Ablenkung, damit der Marschall seine Reserven aus dem Zentrum abzieht.«
Orkneys ohnehin ungesunde Gesichtsfarbe schien noch eine tiefere Färbung anzunehmen. »Ablenkung? Meine Attacke eine Ablenkung? Ich gebe Seiner Hoheit eine Ablenkung, verlasst Euch drauf. Sagt das diesen Männern dort, die tot auf den Feldern und den Barrikaden liegen. Sagt ihnen, warum sie sterben mussten, bei Gott.«
Cadogan schüttelte den Kopf. Dann nickte er und war im Begriff, dem Grafen beschwichtigend eine Hand auf die Schulter zu legen, doch Orkney wich einen halben Schritt zurück. »Ich weiß, George, ich weiß. Aber Tatsache ist, dass der Herzog es nicht für klug hielt, Euch oder irgendeinen seiner Kommandeure zu informieren …«
Orkney lachte trocken auf. »Nicht klug? Gottverdammt, William! Wann ist es denn überhaupt klug, anzugreifen?«
Eine französische Batterie auf einer Anhöhe hinter dem Dorf hatte offenbar die Gruppe Offiziere auf der Straßenkreuzung der Siedlung entdeckt und die Entfernung abgeschätzt. Denn nun schlugen die Kanonenkugeln gefährlich nah bei den Herren ein; Splitter von Pflastersteinen flogen durch die Luft.
Cadogan ergriff erneut das Wort, diesmal in förmlicherem Ton: »Lord Orkney, die Wahrheit ist, dass Ihr keine Kavallerie als Unterstützung habt. Schaut hinter das Dorf. Seine Hoheit hat sämtliche Reiter ins Zentrum beordert, um den Feind anzugreifen und zu vertreiben. Und so wird es kommen. Überzeugt Euch selbst. Ihr seid isoliert – wenn Ihr hierbleibt, wird man Euch einkesseln. Ihr müsst Euch zurückziehen, mein Freund, und zwar unverzüglich. Es tut mir aufrichtig leid.«
Orkney rieb sich über die Perücke und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Schließlich blickte er den jungen Adjutanten an und nickte. »Also gut. Ich werde tun, was Ihr verlangt. Aber nur, weil Ihr direkt von Seiner Hoheit kommt und weil Lord Cadogan mich bittet. Teilt dem Herzog mit, dass ich in Kürze bei ihm sein werde, und falls ich feststellen muss, dass Ihr Euch geirrt habt, so werde ich nicht zögern,
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