Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
hatte Steel kaum etwas gesehen, das diesem Chaos gleichgekommen wäre. Wie wild schlugen und hackten die Soldaten im berüchtigten Straßenkampf aufeinander ein. Nicht einmal während des Durcheinanders in Blenheim hatte so viel nackte Gewalt geherrscht. Die Männer schlugen mit allem zu, was ihnen in die Finger kam, wenn sie ihre Musketen verloren hatten. Einige kämpften mit bloßen Fäusten, um wenige Meter in dem Getümmel voranzukommen.
An einer Straßenecke entdeckte Steel Argylls Männer, die einen Trupp Franzosen zurücktrieben. Doch als er eine weitere Gasse erreichte, geriet er in den Strudel einer halben Kompanie Engländer, die Hals über Kopf den Rückzug einleiteten. Er hatte damit gerechnet, dass der erbittertste Kampf am Westtor geführt würde, wo der Angriff begonnen hatte. Inzwischen tobte der Kampf aber fast überall in der Stadt, und je weiter Steel in südlicher Richtung vorankam, desto unübersichtlicher schien das Gefecht zu werden. Er war davon ausgegangen, dass die Schlacht längst gewonnen war. Bei vielen anderen Belagerungen hatte eine Explosion eines Pulverdepots die Verteidiger dazu veranlasst, die Waffen zu strecken. Hier jedoch, in dem Nest der Diebe und Freibeuter, schienen die Feinde gestärkt aus der Situation hervorzugehen.
Steel wandte sich an Slaughter, der ihm den Rücken freihielt. »Was meint Ihr zu diesem Durcheinander, Sergeant? Wer gewinnt hier?«
»Schwer zu sagen, Sir. Dachte, wir hätten sie, als wir in der Stadt waren. Aber irgendwas hat die noch mal richtig angestachelt, Mr. Steel. Jedenfalls sehe ich nicht, dass die sich ergeben wollen.«
Steel duckte sich, als sie eine Kreuzung überquerten, auf der sich zwei verfeindete Kompanien einen Stellungskampf lieferten. »Ja, ich vermute, dass unsere Aufklärer sich womöglich verschätzt haben. Mir scheint, dass es hier nicht bloß Wallonen gibt, sondern jede Menge reguläre französische Infanterie. Vielleicht zehn, fünfzehn unterschiedliche Regimenter. Sind wohl nach Ramillies hierhergekommen. Dann wären da noch Trouins Leute.«
Steel bahnte sich seinen Weg durch die Gefechte, die praktisch an jeder Kreuzung und in den Gassen tobten. Er versuchte, den Überblick zu behalten und entdeckte bald die Kirche Sankt Peter und Paul. Augenblicke später fand er sich auf den Stufen vor dem Portal wieder und rang im Schatten des Gotteshauses nach Luft. Sie hatten es fast geschafft; zwei, vielleicht drei Straßen trennten ihn und seine kleine Schar noch von dem Tor, das zum Hafen und somit zu Trouins Schiffen führte.
Halb zu seinen Männern gewandt, sagte er: »Zu mir.«
Aber als er sich umdrehte, musste er feststellen, dass er allein war. In seiner Eile hatte er die Kameraden abgehängt; gewiss hatten sie ihn in der Enge der von Pulverdampf durchzogenen Gassen aus den Augen verloren. Verdrossen spähte Steel in die Straßen, konnte jedoch niemanden erkennen, sondern hörte nur den Kampflärm, der von allen Seiten herüberwogte. Doch dann vernahm er ein charakteristisches Geräusch hinter sich, das jeder Soldat kannte. Das Blut gefror ihm in den Adern. Jemand hatte langsam den Hahn einer Muskete gespannt; Steel brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass der Lauf eines Gewehrs auf ihn gerichtet war. Er ging davon aus, dass es ein Franzose war, oder aber einer von Trouins Leuten. Stand gar Trouin persönlich hinter ihm?
Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Ich weiß, dass Ihr hinter mir steht, wer immer Ihr seid. Ich bin britischer Offizier und befugt, Euch Schonung zu gewähren. Wenn Ihr die Waffe sinken lasst. Wir haben die Stadt erobert, und ich garantiere Euch, dass wir Euch fair behandeln werden. Ihr habt mein Wort.«
Ein höhnisches Lachen drang an Steels Ohren. »Euer Wort, ach ja? Ich weiß nicht, ob das reicht, Mr. Steel. Denn ich hab meine Befehle, müsst Ihr wissen.«
Steel erkannte die raue Stimme von Sergeant McKellar, Argylls Schlächter. »Es heißt immer noch Captain Steel für Euch, McKellar. Und ich habe keine Zeit, Euch zu Argyll zu begleiten, falls es das ist, was Ihr wollt. Dringende Angelegenheiten warten auf mich.«
»Dann wären wir ja schon zu zweit, nicht wahr?«
»Wie bitte?«
»Ihr habt mich schon verstanden, Steel. Denn ich werde Euch gleich eine Kugel in den Kopf jagen.«
Steel erschrak. »Ihr habt den Befehl, mich zu erschießen? Von Argyll?«
»Von mir aus glaubt es, wenn’s Euch Spaß macht. Ich darf nicht darüber sprechen.«
Steel spielte auf Zeit. »Würdet Ihr mir dann
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