Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Felltiers, vermutlich eine Ratte. In dem Raum brannten ein paar Kerzen, und in dem trüben Licht sah Steel eine Frau am Boden kauern, die zwei kleine Kinder an sich drückte. Neben ihnen, gefesselt an einen Stuhl, hockte Lieutenant Lejeune, dem man Weste und Hemd vom Leib gerissen hatte. Doch Steels Blick haftete nicht auf Fabritius’ Familie oder dem Lieutenant, sondern auf dem Mann, der sich am anderen Ende des Raums befand.
Duguay-Trouin saß unmittelbar vor der rückwärtigen Mauer hinter einem schweren Eichentisch. Neben ihm saß Stringer. Einen Moment lang glaubte Steel, dass er zu spät gekommen war, doch dann drehte Lejeune matt den Kopf zur Tür. Zu seiner Erleichterung sah Steel, dass der Offizier noch nicht verstümmelt worden war, sondern bislang die Peitsche zu spüren bekommen hatte.
Der Franzose rang sich ein schwaches Lächeln ab, als er Steel gewahrte. Am anderen Ende des Schutzraums drängten sich Trouins Männer. Es mochten über zwanzig Piraten sein. Sie waren bewaffnet, und etliche hatten ihre Musketen auf den Eingang gerichtet, unmittelbar auf die Grenadiere. Als Trouin sprach, hallte seine Stimme von dem Mauerwerk wider.
»Captain Steel.« Der Freibeuter lächelte selbstzufrieden, ehe er in aller Seelenruhe ein kleines Messer vom Tisch nahm und sich die Fingernägel säuberte. »Wie Ihr seht, hatten wir gerade erst begonnen, ein wenig Spaß mit dem Lieutenant und Madame Fabritius zu haben. Ihr habt dem guten Ajax hier den Spaß verdorben.«
Steel sah dem Kaperfahrer ungerührt in die Augen. »Es ist aus, Trouin. In den Straßen draußen wimmelt es bald nur so von Rotröcken. Wir sind in der Stadt. Ostende gehört so gut wie uns.«
»Seid Ihr Euch da so sicher, Captain? Meine Spitzel melden mir, dass der Großteil Eurer Armee erst noch herein muss. In diesen Minuten kämpfen die Verteidiger oben auf den Wehrgängen ums Überleben. Und wie viele von Euren Leuten habt Ihr da freundlicherweise mitgebracht? Sechs, soviel ich sehen kann? Habt Ihr wirklich gedacht, Ihr könntet mich mit sechs Soldaten festnehmen, Steel? Ich bitte Euch, Captain, seid nicht albern.«
»Nein, Trouin, von festnehmen ist nicht die Rede. Ich werde Euch töten.«
Trouin lachte auf, und in das Lachen mischte sich ein Kichern, das von Stringer kam. »Wie ich sehe, habt Ihr Euren Sergeant mitgebracht. Euren heldenhaften Retter.« Er hielt inne. »Und jetzt lasst Ihr bitte die Waffen sinken.«
Steel schielte zu Slaughter und nickte, doch Trouin konnte nicht sehen, dass er dem Sergeant kurz zugezwinkert hatte. Widerwillig legten Slaughter und drei andere Grenadiere ihre Waffen auf den Boden.
»Seht Ihr, Captain Steel«, fuhr Trouin fort. »Ich habe wieder mal die Oberhand. Wie immer. Dieses Spiel könnt Ihr nicht gewinnen. War das nicht ein cleverer Plan, den guten Mr. Fabritius als Lockvogel einzusetzen? Er sollte an Euer Gemüt appellieren. Stringer hier meinte, Ihr wärt zu weich, Captain. Und wisst Ihr was, Steel? Ich glaubte ihm nicht. Aber jetzt sehe ich, dass er recht hatte. Und gleich werdet Ihr sterben.«
Steel merkte, dass der Pirat sich in seiner eigenen Rhetorik verlor. Stringer schaute derweil voller Unruhe auf die Grenadiere, insbesondere auf die, die ihre Waffen noch nicht abgelegt hatten.
Doch Trouin sprach unbeirrt weiter. »Ihr glaubt also, dass Eure große Armee und Euer General Malbrook den Kampf gewinnen werden. Aber Ihr irrt Euch. Warum wurde ich wohl freigelassen, was glaubt Ihr? Ich kam auf Geheiß Major Malbecs frei, weil ich zwei Schiffe im Hafen liegen habe, Captain Steel. Zwei edle Schiffe mit Kanonen. Die Crews sind an Bord, wir können jederzeit in See stechen. Und diese beiden Schiffe sind schneller und stärker als jeder Kahn, den Eure so wertvolle Navy aufbringen kann. Ich hege die Absicht, diese Schiffe aus dem Hafen zu navigieren, um Eure Bombarden zu entern, ehe die Seeleute überhaupt merken, dass ich da bin. Dann positioniere ich die Bombarden so, dass sie auf die Flotte zielen und die Schiffe hinwegfegen. Und sobald das vollbracht ist, richte ich die Mörser landeinwärts auf Eure Armee, Steel. Ganz gleich, ob die Soldaten außerhalb der Stadt stehen oder in den Straßen sind. Nicht, dass es Euch noch etwas angehen würde, da Ihr dann längst tot seid. Ihr und ich und Ajax haben noch eine Verabredung. Wir werden dort weitermachen, wo wir aufgehört haben, als dieser Abschaum von Flame verendete. Wer weiß, vielleicht lassen wir Euch am Leben. Es wäre amüsant mitzuerleben, wie
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