Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
seinem Vorgesetzten geht.«
Aus einer Seitengasse hallten Schritte. Im nächsten Augenblick bogen Slaughter, Lejeune und die übrigen Grenadiere um die Ecke.
»Sir!«, rief der Sergeant außer Atem. »Wir hatten Euch aus den Augen verloren.«
»Und fast ganz verloren, Jacob, wenn Cussiter nicht so ein scharfes Auge hätte. Irgendeine Spur von Trouin?«
»Nein, nichts. Wir haben kaum noch Männer von ihm gesehen. Die Wallonen ergeben sich inzwischen nach und nach. Auch ein paar Franzmänner.«
»Das Tor zum Hafen ist hier ganz in der Nähe. Ich wette, dass Trouin dort einige Wachen zurückgelassen hat. Wenn wir das Tor rasch einnehmen, haben wir vielleicht noch eine Chance, über die Brücke in den Hafen zu gelangen. Bleibt dicht hinter mir. Auch Ihr, Lejeune. Gott allein weiß, was uns gleich erwartet.« Der französische Lieutenant nickte. »Ich weiß, dass Ihr alt seid, Jacob, aber fallt nicht wieder zurück. Verliert mich nicht noch einmal aus den Augen. Verstanden?« Der Sergeant druckste herum und schaute zu Boden.
Steel eilte erneut voraus und führte den Trupp hinter der Kirche auf eine breite Straße, die innerhalb der Stadtmauern verlief. Weiter voraus sahen sie eine Bastion, auf deren Mauern sich rot und weiß uniformierte Soldaten einen Kampf auf Leben und Tod lieferten. Steel kannte dieses Viertel, denn hier waren Slaughter und er schon einmal gewesen, nachdem das Ruderboot angelegt hatte. Und Steel hatte recht: Weiter links, entlang der Mauer, tauchte das Tor zum Hafen auf. Tatsächlich hielten dort mindestens zwei von Trouins Männern die Stellung.
Steel schaute sich um und sah, dass seine Leute alle hinter ihm waren. Rasch winkte er sie weiter und rannte aus den Schatten der Häuserwände über die Straße in die Dunkelheit unterhalb der Bastion. Kurz darauf hatten die Kameraden zu ihm aufgeschlossen. Langsam schob Steel sich bis zu einem Pfeiler der Festungsmauer vor und spähte hinüber zum Tor, das von einer einsamen Pechfackel beleuchtet wurde. Trouins Wachen unterhielten sich. Beide hatten Musketen, die gewiss geladen waren. Steel wich zurück, griff nach seiner Muskete, schlich wieder nach vorn und ging auf ein Knie. Er spannte den Hahn bis ganz nach hinten und wisperte über die Schulter: »Dan, der Rechte ist Euer Mann. Knöpft ihn Euch vor.«
Cussiter, einer der besten Schützen der Kompanie, rückte zu Steel vor, spannte den Hahn seiner Waffe und zielte. Die beiden Schüsse krachten fast zeitgleich, und als der Dampf sich verflüchtigte, sah Steel, dass sie Erfolg gehabt hatten. Die Wachen lagen am Boden. Er klopfte Cussiter auf die Schulter, während der Grenadier nachlud. Dann schlang er sich die noch qualmende Muskete über die Schulter, eilte im Schutz der Mauer weiter und rannte durch das Tor. Auf der schmalen Brücke über den Graben hatte er mit weiteren Gegnern gerechnet, doch er sah niemanden. Lejeune hatte ihn eingeholt, Slaughter und die anderen waren ebenfalls zur Stelle.
»Nun, Lieutenant, sieht ganz so aus, als hätten wir Glück.«
Rasch ließen sie die Brücke hinter sich und erreichten die Kaianlagen, wo Slaughter und Steel zuerst an Land gegangen waren. Es kam Steel schon wie eine halbe Ewigkeit vor. Auf den ersten Blick hatte sich unten am Hafen nur wenig verändert: Nach wie vor hingen leere Fischernetze an der Mole; löchrige Weidenkörbe lagen herum, keine Menschenseele war zu sehen. Erst da sah Steel, was anders war. Ihm sank das Herz. Die beiden Schiffe, die weiter unten festgemacht hatten, waren verschwunden – Trouins Schiffe. Sie waren zu spät gekommen. Steel ließ sich auf eine Kiste sinken und spie aus.
»Verflucht sei der Mann!« Er schaute hinaus aufs offene Meer, stand dann auf und ging zur Kaimauer. Unten im Wasser, am Fuße einer Steintreppe, dümpelte ein Dingi in den Wellen. Steel drehte sich um und rief Lejeune und Slaughter zu: »Wie steht es mit Eurer Erfahrung auf See, Männer?«
»Ich fürchte, dass ich bislang nur einmal gerudert bin«, erwiderte Lejeune. »Auf einem See bei Versailles.«
»Und Ihr, Sergeant?«
»Bin kein Seemann, Sir. Aber ich werde es versuchen.«
Steel wandte sich an die Grenadiere. »Kommt, Männer. Ihr habt Euch soeben freiwillig zur Marine gemeldet!«
***
Claude Malbec war, wie er de la Motte gesagt hatte, ein einfacher Soldat, und zwar seit nunmehr zwanzig Jahren. Er hatte den Blick eines Soldaten, dachte wie ein Soldat und wusste instinktiv, wie sich eine Schlacht entwickeln würde. Und als er in diesem
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