Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Titularrang war.
»Ja, ich glaube mit ganzem Herzen daran, Major. Warum kämpfen wir sonst, wenn nicht der Ehre wegen? Für die Ehre unseres Regiments. Die Ehre unseres Landes und unserer Monarchie. Und nicht zuletzt für unsere eigene Ehre.«
Van Cutzem nickte und lächelte. »Sicher, Captain. Wir kämpfen für die Ehre. Obwohl ich natürlich in die Schlacht ziehe, um meine Heimat vor den Franzosen zu bewahren. Da wir gerade von unseren Gegnern sprechen, ich glaube, dass wir Zeuge der Ehre werden.«
Auf der anderen Seite der Felder, vor den in Reih und Glied angetretenen weiß uniformierten Franzosen, standen zwei Offiziere. Auf die Entfernung vermochte Steel den Rang der Männer nicht zu erkennen. Während er und der Niederländer zur feindlichen Infanterie hinüberspähten, zogen die beiden Offiziere ihre Degen. Mit fließenden Bewegungen entboten sie mit den Klingen den traditionellen Gruß der Fechter, ehe sie die Waffen erst zur linken, dann zur rechten Seite sinken ließen. Dann schoben sie die Degen zurück in die Scheiden und deuteten eine förmliche Verbeugung in Steels und van Cutzems Richtung an.
Steel nickte zum Gruß und wollte gerade einen Scherz machen, als der Niederländer einen Schritt vortrat und seinen Hut abnahm. Dann verbeugte sich der Major übertrieben tief, sodass sein üppig wallendes Haar fast den Boden berührt hätte, schwenkte den Hut mit ausladender Geste und richtete sich wieder auf.
Steel quittierte den vornehmen Gruß mit einem Lächeln und musterte den Niederländer. Van Cutzem drehte sich zu Steel um. »Erheitert Euch etwas, Captain?«, kommentierte er Steels Lächeln.
»Glaubt Ihr wirklich, dass so etwas hilft? All dies? Wir sind doch wohl hier, um die Franzosen zu bekämpfen, oder? Um sie zu töten. Natürlich werden wir ihnen Schonung gewähren, wenn sie uns darum bitten. Aber warum haltet Ihr Euch mit diesem theatralischen Getue auf?«
»Ihr entbietet nie den förmlichen Gruß? Nie? Ich bin überrascht, Mr. Steel. Wenn Ihr die Ehre so hoch achtet, wie Ihr behauptet, dann müsste dies doch auch Platz in Eurem Ehrenkodex haben.«
»Ich halte nicht viel davon, sich vor dem Feind zu verbeugen, Major.«
»Dann ist es der Stolz, den Ihr hochhaltet, nicht die Ehre.«
Steel lachte. »Stolz. Ehre. Bitte keine Wortspielereien, Major. Ich weiß, wofür ich kämpfe, und Ihr wisst es auch. Aber wenn Ihr Eure kleine Scharade weiterführen wollt, dann bitte. Ich schaue gern zu, wie bei einem Spiel. Recht amüsant, aber das ist kein Krieg.«
Van Cutzem starrte ihn an und errötete. Kurz darauf antwortete er, richtete den Blick jedoch zu Boden. »Krieg? Wisst Ihr, was Krieg ist, Steel? Ich werde Euch sagen, was Krieg ist. Krieg bedeutet drei Jahrzehnte Elend und Schrecken. Krieg ist eine schaurige Geschichte, die ein verstümmelter Vater seinem jungen Sohn am Herdfeuer erzählt. Eine Geschichte, die von Schluchzern und Schweigen unterbrochen wird. Und manchmal ist diese Geschichte so schmerzvoll, dass man sie nicht erzählen kann.«
Van Cutzem, der sich nun in eine Art Zorn hineingeredet zu haben schien, fixierte Steel aus eisblauen Augen. »Mein Großvater wurde kaltblütig ermordet, vor den Augen seiner Kinder. Man riss ihm die Kleider vom Leib, band ihn an ein Kreuz und röstete ihn bei lebendigem Leib, während seine Frau vergewaltigt wurde und man ihr dann die Kehle durchschnitt. Die Kinder, darunter mein Vater, trieb man in die Felder, wo sie fortan wie Tiere ihr Dasein fristen sollten. Glücklicherweise überlebte mein Vater, obwohl er dabei eine Hand einbüßte. Seine Schwestern überlebten es nicht. Über ihr Schicksal wissen wir nichts. Das, Captain, bedeutet Krieg in diesen Landen.«
Er sprach auffallend leise weiter: »Deshalb, Mr. Steel, bedienen wir uns dieser ›absurden‹ Konventionen und Regeln. Deshalb ist es so wichtig, dass die Regeln des Krieges beachtet werden. Nie mehr wollen wir in jene Hölle hinabsteigen. Wir würden alles tun, um das zu vermeiden. Alles. Und so bekämpfen wir die Franzosen. Aber es darf nie wieder zu Gräueltaten kommen.« Er senkte den Blick, und bei den nächsten Worten schien die Verbitterung allmählich nachzulassen. »Wir bitten Gott, dass wir so etwas nicht mehr mit ansehen müssen. Darum geht es mir, Captain Steel.«
Steel nickte. »Es tut mir leid, Major, aufrichtig leid. Ich hätte meine Worte besser wählen müssen. Vergebt mir, wenn ich Euch beleidigt habe. Das war nicht meine Absicht.«
Natürlich hätte er dem Major gern
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