Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Reihen des Regiments. Steel biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Erst hatte man sie aus einem hart erkämpften Stützpunkt herausgerissen und jetzt schien man sie der Gnade der französischen Artillerie zu überlassen. Die erste Entscheidung hatte er noch verstanden. Aber die zweite? Manchmal fragte er sich, ob die eigenen Kommandeure sich überhaupt der vielen vergeudeten Gelegenheiten auf einem Schlachtfeld bewusst waren.
Sein Nachsinnen wurde unterbrochen, als weiter vorn Bewegungen auszumachen waren; eine Formation kam auf Steels Flügel zu. Auch Slaughter sah die Soldaten kommen. »Grenadiere«, rief er. »Bereit machen. Musketen laden.«
Vierzig Waffen waren auf die Abteilung gerichtet, die Bajonette aufgepflanzt. Steel musterte die anrückenden Männer näher und sah zu seiner Erleichterung, dass sie aufseiten der Alliierten standen – das verrieten die grünen Kokarden an den Hüten.
»Ruhig, Männer. Das sind unsere.«
Während die Kolonne herankam, vernahm Steel Fetzen von schottischem Dialekt. Er sah inzwischen aber auch, dass diese Männer, wer immer sie sein mochten, ziemlich übel zugerichtet waren. Diese blutige Truppe hatte, wie es schien, einmal ein ganzes Bataillon Rotröcke gebildet. Schottische Truppen. Doch er fragte sich, unter welchem Kommando sie gestanden haben mochten.
Slaughter trat zu ihm. »Das sieht man wahrlich nicht gern, Sir. Verunsichert die Männer nur. Die armen Kerle.«
Zwei Soldaten trugen einen jungen Offizier auf einer notdürftig gezimmerten Trage vorbei. Einer der Soldaten schluchzte. Dem Offizier fehlte ein Bein. Seiner kalkweißen Gesichtsfarbe nach zu urteilen, hatte er viel Blut verloren. Der Mann sagte kein Wort, starrte nur mit glasigem Blick geradeaus und stand immer noch unter Schock. Steel fragte sich, wie es dem Mann gehen mochte, wenn der Schmerz erst richtig einsetzte. Je länger der Schock, so hieß es, desto schlimmer der Schmerz später.
Es imponierte Steel, dass diese Männer nicht Hals über Kopf flohen, sondern in weitgehend geordneten Kolonnen marschierten. Die Sergeants sorgten dafür, dass die Soldaten in ihren Reihen blieben, obwohl sie allesamt erschöpft und demoralisiert waren. Während Steel den Anblick auf sich wirken ließ, schob sich ein Mann – ein großer Bursche mit fast kahlem Kopf – an ihm vorbei, rempelte ihn sogar an, entschuldigte sich jedoch mit keinem Wort.
Steel fing sich rasch wieder und rief dem Mann nach: »Aufpassen, Kerl. Selbst auf dem Schlachtfeld gibt es so etwas wie Manieren.«
Der Mann drehte sich um. Jetzt erst sah Steel, dass es sich um einen Offizier handelte; die ehemals weißen Breeches waren von Matsch und Blut befleckt. Der Mann machte kehrt, trat vor Steel hin und wischte sich mit einer Hand durchs Gesicht, um etwas von dem Dreck zu entfernen. »Und mit wem habe ich die Ehre?«
Sein Akzent war dem Steels nicht unähnlich; weich und mit einer leichten schottischen, gutturalen Aussprache.
»Captain Steel. Sir James Farquharsons Regiment of Foot. Ich befehlige die Grenadiere. Und wer, wenn ich fragen darf, möchte das wissen?«
Erneut wischte der Mann sich durchs Gesicht und fixierte Steel mit hartem Blick. »Erkennt Ihr mich nicht?«
»Mir ist nicht klar, dass ich Euch kennen müsste, Sir«, entgegnete Steel ein wenig steif.
Der Mann setzte ein schmales Lächeln auf und versprühte Selbstbewusstsein. »Nun, inzwischen müsste es Euch klar sein. Meine Name ist Argyll. Ich befehlige diese schottischen Regimenter in niederländischen Diensten, die es während der zurückliegenden Stunden mit dem Feind aufgenommen haben.« Er deutete zu dem Dorf, das ungefähr in der Mitte des Schlachtfelds lag. »Da drüben. Bei Ramillies. Und jetzt habe ich es satt, mit den Franzosen zu spielen. Die Artigkeiten sind vorbei. Jetzt habe ich die Absicht, das Dorf einzunehmen.« Er hielt inne und suchte erneut Steels Blick. »Ihr erkennt mich doch wohl, möchte ich meinen?«
In Steels Verlegenheit mischte sich Wut auf sich selbst. Der Mann, der ihm gegenüberstand, war kein Geringerer als John Campbell, der Herzog von Argyll. Dieser Mann war nicht nur General, er war General schottischer Truppen und zudem ein enger Freund von Sir James Farquharson, Steels Colonel. Im Verlauf des letzten Feldzuges hatte Steel die beiden Herren ein paar Mal in Gespräche vertieft zusammen gesehen. Aber da hatte der Herzog stets eine prächtige Uniform getragen. Jetzt hingegen, in den verdreckten Sachen, wirkte er wie ein
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