Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Boden. Unsere Jungs fallen der Gesellschaft doch nur zur Last und sind immer betrunken und verdorben, heißt es dann wieder.« Er nahm eine Prise Schnupftabak aus einer silbernen Dose. »Wir sind nicht beliebt.«
»Also sollten wir diesen Jubel genießen, solange wir können, wie?« Steel winkte ein paar hübschen Mädchen zu, die sich im ersten Stockwerk eines Hauses weit aus dem Fenster lehnten, sodass die freizügig geschnittenen Mieder mehr von den weiblichen Reizen preisgaben als bei einem züchtigen Dekolletee.
Hansam war der Blick seines Freundes nicht entgangen. »Und, Jack? Hast du dir für den Abend schon ein wenig Tändelei vorgenommen? Seit dein deutsches Mädchen sich mit dem Kavalleristen davongemacht hat, habe ich dich kaum noch in Gesellschaft von Frauen gesehen.«
Steel lächelte und musste an sein »deutsches Mädel« denken. Er rief sich Louisa Webers Gesicht in Erinnerung. Schon seit ein paar Tagen hatte er nicht mehr an sie gedacht. Doch sobald er sie vor seinem geistigen Auge sah, verspürte er einen Stich im Herzen. Nach Blenheim hatte er sogar daran gedacht, sich irgendwo mit Louisa häuslich niederzulassen. Dann aber hatte Spanien ihn gerufen, und jetzt war sie unerreichbar für ihn.
»Keine Sorge, Henry, ich bin nicht melancholisch veranlagt. Außerdem hast du mich im Verlauf des letzten Jahres nicht in Spanien erlebt.« Er dachte einen Moment lang nach; dann zuckte er mit den Achseln. »Aber du weißt ja, wie sehr Louisas Untreue mich getroffen hat.«
Wieder erschien ein Lächeln in seinem Gesicht, als eine der Frauen am Fenster ein rosafarbenes Seidentuch aus ihrem Ausschnitt hervorzauberte und es Steel zuwarf. Geschickt fing er es auf. »Ja. Vielleicht sollte ich für heute Abend weibliche Gesellschaft in Erwägung ziehen«, meinte er. »Ich glaube, ich bin schon viel zu lange nur von Kerlen umgeben. Habe schon vergessen, wie es ist, ein Gesicht zu sehen, das nicht einer gründlichen Rasur bedarf.«
Hansams Lachen übertönte das Hufgetrappel auf dem Kopfsteinpflaster. »Na, dann solltest du aber keine engeren Beziehungen knüpfen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Herzog hier allzu lange verweilen möchte.«
»Nur ruhig, Henry. Ich habe nicht die Absicht, mich zu verlieben. Aber ein bisschen Ablenkung wäre nicht schlecht.« Er drehte sich im Sattel zu Williams um, der als Fähnrich zu Fuß an der Spitze der Kompanie marschierte. »Was meint Ihr, Tom? Sollen wir heute Abend eine Schänke aufsuchen, oder wollen wir eher an einer amourösen Soiree im Kreise der Damen der Stadt teilnehmen?«
Der junge Mann errötete, worauf Slaughter, der neben ihm marschierte, eine Braue hochzog.
»Ich denke«, fuhr Williams bereits fort, »es dürfte uns gefallen … die Damen zufriedenzustellen.«
Steel lachte, aber nicht, um den jungen Mann zu brüskieren. »Ah, Ihr möchtet die Damen zufriedenstellen, was, Tom? In Ordnung. Ich bin sicher, dass Ihr ihnen sehr zusagen werdet.« Dann sprach er so laut, dass die ersten zwei, drei Reihen der marschierenden Grenadiere ihn verstehen konnten. »Wenn wir uns schon ein paar Damen suchen, sollten wir auch dafür sorgen, dass wir sie zufriedenstellen.«
Wie nicht anders zu erwarten, reagierten die Grenadiere mit Jubelrufen und zotigen Bemerkungen. Das war gut für die Moral. Manchmal war es nicht verkehrt, den Fähnrich zu necken und ihn zum Erröten zu bringen. Dann nämlich sahen die Männer, dass auch ein junger Offizier und Gentleman in manchen Belangen auf ihrer Ebene war. Auch er musste eine menschliche Seite haben. Das war einer der Tricks, wollte man eine Truppe anführen.
»Ich frage mich«, meinte Hansam, »wo du deine Konkubine finden möchtest, Jack. Obwohl ich gehört habe, dass die Leute oben in der Stadt meist Französisch sprechen und sich auf raffinierte Verführungskünste verstehen.«
»Sollten wir uns dann nicht besser hier in der Unterstadt umschauen, Henry?«
Diese Bemerkung, die ebenfalls nicht zu überhören war, entlockte den Fußsoldaten in den vorderen Reihen ein erneutes Jubeln. Auf den Jubel folgte sogleich lautes Gelächter, als die Grenadiere auf Anweisung eines in der Straße postierten Dragoners scharf rechts abbogen und an einer kleinen bronzenen Statue vorbeikamen, die einen nackten Jungen darstellte. Es handelte sich um einen Springbrunnen, und bei dem sprudelnden Wasser sah es so aus, als erleichtere der kleine Bursche sich ganz ungeniert. Es dauerte nicht lange, und das ganze Regiment brach in Lachen und
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