Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Prusten aus.
Steel wandte sich an Hansam. »Wenn diese kleine Statue dort den derben Humor der Einwohner widerspiegelt, dann habe ich keine Zweifel, dass wir uns heute Abend auf anregende Unterhaltung freuen dürfen. Und ich glaube nicht, dass länger andauernde Beziehungen auf der Speisekarte stehen werden.«
Inzwischen hatten sich die Prachtstraßen der Innenstadt in den Bezirken der Unterstadt zu schmaleren Gassen verjüngt, und das Gelächter der Männer drohte im Johlen der Menschenmenge unterzugehen, von der die marschierenden Rotröcke sich umringt sahen.
»Hört Ihr, wie sie den Briten zujubeln, Sir?«, verschaffte Williams sich Gehör.
Steel schüttelte den Kopf. »Sie jubeln uns nicht zu, weil wir britische Soldaten sind, Tom. Sie sind begeistert, weil wir die verdammten Franzosen besiegt haben. Hört Ihr den Akzent? Hier spricht man kaum noch Französisch. Das sind hauptsächlich Flamen. Sie jubeln, weil wir weder Franzosen noch Flamen sind und auch keine Niederländer. Sie jubeln, weil sie endlich auf die Gelegenheit hoffen, sich in einem vereinigten Brabant wohlzufühlen. Denen ist es vollkommen gleichgültig, wer wir sind, solange sie frei sind.«
»Der Captain hat recht, Tom«, stimmte Hansam zu. »Unser illustrer Kommandeur hat diesen Menschen die Freiheit vom französischen Joch gebracht, und diese Freiheit werden sie nicht mehr leichtfertig hergeben. Wie mag es sich wohl anfühlen, einer Nation die Freiheit geschenkt zu haben?«
Williams lächelte. »Ich denke, ich könnte mich daran gewöhnen, Sir.«
Steel war nicht entgangen, dass der Fähnrich am Straßenrand ein hübsches Mädchen erblickt hatte, das den Soldaten Blumen zuwarf. Es schien seinen Blick erwidert zu haben. Über den Jubel hinweg rief Steel dem jungen Williams zu: »Ganz recht, Tom, nur weiter so. Ich glaube, selbst Sergeant Slaughter dürfte Gefallen finden an der Beute der Sieger.«
Als Steel sich im Sattel umdrehte, sah er, dass auch sein Sergeant ein breites Grinsen aufgesetzt hatte und den begeisterten Zivilisten zuwinkte. Er hielt einen großen Strauß Tulpen im Arm, und inzwischen war er so oft von den entzückten Frauen geküsst worden, dass das Rouge durch seinen Stoppelbart schimmerte.
Steel amüsierte sich köstlich. »Ihr habt Euer Publikum gefunden, Jacob. Sie lieben Euch. Wenn ich’s nicht besser wüsste, ich würde Euch für eine der Schauspielerinnen vom Queen’s Theatre am Haymarket halten. Für eine der hübscheren natürlich. Wirklich, Sergeant, Ihr seid das Abbild der hübschen Mrs. Oldfield persönlich.«
Die Männer kosteten den seltenen Moment aus, über ihren Sergeant lachen zu dürfen, und während Slaughter zugleich lächelte und fluchte, wandte Steel sich bereits wieder an Williams. »Macht was draus, Junge. Schon morgen jagen sie uns vielleicht wieder aus der Stadt.«
Der Fähnrich war gerade mit dem Gedanken beschäftigt, wie er später am Tag das hübsche Mädchen wiederfinden sollte, als sich eine Frau mit rabenschwarzem Haar aus der Menge löste – vom Alter her hätte sie Williams’ Mutter sein können –, einen Arm um die schmale Taille des Jungen schlang und ihm einen Kuss auf die Lippen gab. Die anderen Grenadiere jubelten und pfiffen. Als der Fähnrich sich aus dem Arm der Dame befreit hatte, leuchteten seine Wangen knallrot.
Steel lachte. »So wird’s gemacht, Tom. Die Damen zufriedenstellen. Zeigt ihnen, woraus ein britischer Offizier gemacht ist.« Inzwischen erreichte die Marschkolonne das Ende der Straße. Da Steel weiter vorn mehrere hochrangige Offiziere erspähte, rief er seinen Leuten zu: »Augen geradeaus! Jetzt seid Ihr wieder gefragt, Sergeant. Ruft die Männer zur Ordnung.«
***
Vor ihnen mündete die Straße in den Großen Platz, und die Grenadiere marschierten neben den anderen Regimentern in die Paradeformation. Gegenüber erhob sich das Rathaus neben etlichen halb verfallenen Gebäuden: Die unübersehbaren Spuren der französischen Bombardierung von vor zehn Jahren. Dennoch zeigte sich, dass die Bürger der Stadt Brüssel keine Kosten für den Wiederaufbau gescheut hatten. Mit ihren geschwungenen Giebeln und kunstvollen Marmorfassaden standen diese Gebäude genauso für den Drang nach Unabhängigkeit und Freigeist wie für die Kunst der Architektur.
Von den Sergeants zur Ordnung gerufen, marschierten die Soldaten nun stolz und gaben sich Mühe, im Gleichschritt zu bleiben, wie die neuen Regelwerke es verlangten. Steel sah, dass sich auf dem Platz Truppen aller
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