Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
sein mögen, haben wir den Feind im Rücken und um uns herum. Wir liefen Gefahr, unsere Nachschubwege einzubüßen. Ehe wir es so weit kommen lassen, müssen wir einen Hafen sichern. Als Generalquartiermeister ist es meine Pflicht, darauf zu beharren, Euer Hoheit.«
Er machte eine Pause, vergewisserte sich, dass Marlboroughs Zorn abgeflaut war, und fuhr fort: »Um unserer nationalen Integrität willen müssen wir Ostende einnehmen. Nur so können wir verhindern, dass die Niederländer uns den Handelsweg streitig machen. Wir brauchen aber nicht nur Ostende, sondern auch Dünkirchen, und sobald wir diese Hafenstädte haben, dürfen wir sie nicht wieder preisgeben. Mylord, Euch ist ebenso wie mir bewusst, dass im Augenblick eine kleine Flotte der Royal Navy im Kanal patrouilliert und genau auf diesen Vorstoß wartet. Der Captain der Flotte ist dieser Tage in Brüssel. Es handelt sich um George Forbes, den Earl of Granard. Er wartet auf Euren Befehl. Er verfügt über Fregatten und andere Kriegsschiffe, die wie geschaffen sind für einen solchen Angriff. Wir können den Hafen von Ostende zerstören oder zumindest einen Angriff von der Landseite unterstützen, um die Stadt zur Kapitulation zu zwingen. Unsere Bemühungen müssen allein in diese Richtung zielen, Sir.«
Marlboroughs Stimme klang sehr ruhig, als er sagte: »Ja, James. Das weiß ich, und ich habe in der Tat bereits die Bekanntschaft von Mylord Granard gemacht. Ein liebenswerter Bursche, wenn auch ein wenig übereifrig, die ballistischen Fähigkeiten seines Schiffes unter Beweis zu stellen.« Er schenkte Cadogan ein Lächeln. »Es war sehr weitsichtig von Euch, William, die Navy um Unterstützung zu ersuchen. Und ich stimme Euch voll und ganz zu, dass Ostende unser Hauptziel sein muss.« Er warf dem Generalquartiermeister ein weiteres wissendes Lächeln zu. »Demnach werdet Ihr letzten Endes über die französischen Freibeuter siegen.«
Die anderen Offiziere grinsten. Cadogan errötete und hob die Stimme. »Sir, sie nahmen mir alles weg. Das Geld. Fünfzigtausend Kronen, die für die Armee bestimmt waren. Und eine Schatulle mit Juwelen, die meiner Gemahlin gehörten. Selbst meine private Korrespondenz.«
»Einiges davon«, warf Hawkins mit einem verschmitzten Grinsen ein, »wurde, wie ich erfuhr, dann in Paris veröffentlicht, Cadogan. Eine recht amüsante Lektüre. Etwas über eine …«
Marlborough täuschte einen finster strafenden Blick vor. »Also wirklich, Hawkins. Ich denke, es wäre besser …«
»Tut mir leid, Euer Hoheit.«
Cadogan fing sich wieder. »Wie ich schon sagte, Euer Hoheit, wir müssen Ostende einnehmen. Wir müssen uns einen Hafen für den Nachschub sichern … und die Aktivitäten der Freibeuter ein für allemal eindämmen.«
»Da dürfte es nur ein Problem geben«, meldete sich wieder Hawkins zu Wort.
»James?«
»Nun, Euer Hoheit. Es liegt mir fern, an meinem eigenen Kommandeur zu zweifeln, und es ist in dieser Angelegenheit gewiss keine Respektlosigkeit meinerseits.« Er kratzte sich am Kopf. »Aber habt Ihr sorgsam abgewogen, wie genau wir Ostende erobern sollen? Ihr wisst so gut wie ich, dass die Stadt vor etwa zehn Jahren von Vauban befestigt wurde. Ostende hat Forts, Gabionen, Schanzen voller Geschütze. Die Stadt ist übrigens ein hübsches Beispiel für Vaubans großartige Kunst, wobei die See als natürliche Verteidigung auf der einen Seite genutzt wird und die von Menschenhand geschaffenen Gräben auf der anderen. Das ist aber nur ein Punkt. Wir können eine solche Stadt zwar belagern, und Ihr seid der Meister der Belagerungskunst. Wir verfügen auch über die Geschütze. Aber habt Ihr auch an die Garnisonen gedacht?«
Marlboroughs Augen verengten sich, als Hawkins fortfuhr. »Oh ja, Ihr mögt die Stadt von Schiffen aus unter Beschuss nehmen und gleichzeitig von Land aus angreifen. Aber glaubt mir, ich kenne diese Stadt. Ostende ist ein Wespennest. Es ist ein nördliches St. Malo, von wo aus die französischen Freibeuter in See stechen, um uns unsere Schiffsladungen abzujagen. Die Straßen und Gassen der Stadt werden uns einen hohen Blutzoll abverlangen. Die Verluste könnten schlimmer sein als am Schellenberg. Und ich weiß, dass Ihr das Gemetzel dort nicht vergessen könnt, ebenso wenig die Tatsache, wie sich die Eroberung des Berges auf Euren Ruf daheim ausgewirkt hat.«
Jetzt war es Cadogan, der die Stimme hob. »Dennoch müssen wir sie einnehmen.«
Lord Orkney, der bisher schweigend zugehört hatte, ergriff
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