Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
nun das Wort: »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich beim letzten Mal, als wir diese Angelegenheit erörterten, als Anführer einer solchen Attacke Lord Argyll vorgeschlagen. Doch nun entnehme ich den Ausführungen, dass der Großteil der Feinde in Ostende Piraten sind. Habe ich das richtig verstanden, Lord Cadogan? Ihr würdet gegen französische Freibeuter, Piraten also, auf ihrem eigenen Territorium kämpfen? In den Straßen von Ostende, mit Linieninfanterie?«
»Wenn es sich nicht vermeiden lässt.«
»Ihr würdet mit regulären Truppen gegen Banditen vorgehen?«
»Wenn es sein muss.«
Orkney schüttelte den Kopf und lachte. »Mein lieber Cadogan, Euch ist ebenso wie mir bewusst, dass sich so etwas nicht bewerkstelligen lässt. Euer regulärer Infanterist ist ein einfaches Geschöpf. Ein Dummkopf, der zum Dienst gepresst wurde, der säuft und hurt. Er spult mechanisch ab, was er gelernt hat, und lernt durch die Peitsche, dass er bleiben muss. Euer Rotrock ist einfach nicht in der Lage, es im Kampf mit solchen Gesellen aufzunehmen. Das sind Freibeuter, Mylord. Verfluchte Piraten. Jeder Einzelne von ihnen verfügt über ein ganzes Waffenarsenal und bedient sich unlauterer Tricks. Diese Männer verstehen sich auf den Kampf Mann gegen Mann, nicht aber unsere Jungs, wenn es hart auf hart kommt. Die Freibeuter kämpfen bis zum bitteren Ende und kennen keine Gnade.«
Bei den letzten Worten wandte Cadogan sich halb ab. Hawkins setzte nach und sprach zu Marlborough. »Euer Hoheit, wir könnten versuchen, mit List in den Hafen zu gelangen, wenn Ihr und Lord Orkney erlaubt. Wenn es uns gelingt, Männer in den Hafen zu schleusen, um dann zur gleichen Zeit von innen und außen anzugreifen, haben wir eine Chance. Für diese Zwecke bräuchten wir eine ganz spezielle Stoßtruppe. Eine Truppe, die in einer solchen Situation wirklich etwas bewirken kann. Eine Einheit, in der jeder gelernt hat, im Nahkampf zu bestehen. Männer, die eigenständig denken und kämpfen können. Nicht einmal der abgefeimteste Freibeuter würde eine solche Täuschung durchschauen und es mit Soldaten diesen Schlages aufnehmen.«
Marlborough blickte nachdenklich zu Boden und nickte schließlich. »Ihr habt recht, James. Und Ihr erwähntet ja zuvor schon den Offizier, der einen solchen Plan in die Tat umsetzen könnte.« Der Herzog lächelte. »Ja, James, ich denke, wenn es überhaupt jemandem gelingt, dann wird es dieser Mann sein. Ich hatte immer den Eindruck, dass er stets einen kühlen Kopf bewahrt und ein gutes Urteilsvermögen an den Tag legt.«
»Ich würde ihn zudem als eigensinnig beschreiben, Euer Hoheit.«
»In der Tat, Sir. Nichts wurde je in einer Schlacht erreicht, James, ohne Offiziere, die auf eigene Initiative handeln. Ich bin davon überzeugt, dass er überdies einen tadellosen Charakter aufweist.«
Hawkins nickte. »Oh, ja, Sir. Ein überaus vernünftiger Offizier. Jack Steel ist unser Mann. Wir könnten keine bessere Wahl treffen.«
***
Die Flasche Rheinwein in der einen Hand, das Glas in der anderen, lehnte Steel sich auf dem hölzernen Stuhl zurück und war im Begriff, sich noch etwas einzuschenken, ehe er die Szenerie auf sich wirken lassen wollte. In dem kleinen vertäfelten Raum stank es nach Wein und Körperausdünstungen. Vielleicht war dies nicht das ausschweifendste Treiben, an dem er je teilgenommen hatte, aber es war gewiss wert, in Erinnerung behalten zu werden.
Tom Williams saß neben ihm. Er hatte das rechte Bein auf der Tischplatte abgelegt, das linke auf einer Trommel. Sein Uniformrock hing schief über der Stuhllehne, das Hemd hatte ihm eine hübsche junge Frau aufgeknöpft, die puppenhafte Züge und beunruhigend viele Schönheitsflecken hatte. Mit den Fingerspitzen fuhr sie Tom über die Brust und wisperte ihm etwas ins Ohr. Was auch immer sie ihm zu sagen hatte, vermutlich auf Französisch, der Fähnrich war zu berauscht, um den Worten folgen zu können. Obwohl Steel selbst nicht mehr ganz nüchtern war, behielt er den Jungen vorsichtshalber im Auge. Wie schnell passierte es an einem Ort wie diesem, dass einem plötzlich die Geldbörse fehlte. Und auch wenn die Mädchen aufrichtig zu sein schienen, konnte man nie wissen, welche Absichten sie in Wahrheit verfolgten.
Auf der anderen Seite des runden Eichentischs hing eine weitere junge Frau in trunkener Starre auf ihrem Stuhl, während neben ihr Lieutenant Laurent, der französische Hugenottenoffizier des Regiments, in seinem Liebesabenteuer recht weit
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