Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
vorangekommen war. Er hatte der Gefährtin der betrunkenen Frau eine Hand in das Mieder geschoben und die Lippen der Schönen mit einem feurigen Kuss erobert. Unmittelbar neben Laurent schien Lieutenant McInnery eine Partie Backgammon für sich zu entscheiden, was Steel als glückliche Fügung betrachtete. Denn wenn der Lieutenant ein Spiel verlor, hatte er stets die Absicht, den Gegner zu töten.
In einer Ecke des Raumes hockten ein alter Mann und eine hässliche, zahnlose Vettel, die beide die Saiten einer Harfe und einer Gitarre zupften, um die Gesellschaft musikalisch zu unterhalten. Von Zeit zu Zeit kamen der Wirt oder seine füllige Frau durch die offene Tür und brachten mehr Wein und Tabletts mit Essen, die eigentlich keiner der Offiziere bestellt hatte, die aber am Morgen fein säuberlich auf der Rechnung aufgelistet sein würden. Die »Musikanten« saßen vor einer Wand, auf die das Kerzenlicht flackernde Schatten warf und deren eintöniger, ehemals olivfarbener Anstrich über die Jahre vom Pfeifenqualm gelblich und fleckig geworden war. Diese Wand beherrschte ein großes Gemälde im holländischen Stil: Der junge Gott Bacchus ließ sich von zwei halbnackten Dryaden verführen. Eine passende Allegorie für den momentanen Zeitvertreib, dachte Steel, wenn auch ein wenig lüsterner.
Während Steel auf das Gemälde schaute, beugte sich die junge Frau, die neben ihm saß und seit einigen Minuten ohne Erfolg an den Knöpfen von Steels Breeches herumfingerte, zu ihm und drückte ihm ihre vollen Brüste ans Gesicht.
» Je vous désire, mon capitaine. Jetzt. Ja?«
Steel starrte die Frau an. Sie lächelte und drückte gegen das mit Spitze versehene Mieder ihres Kleides, sodass die Rundungen in ihrem Ausschnitt noch besser zur Geltung kamen. »Siehst du nicht, Jack«, flüsterte sie, »wie die Spitze an meinem Kleid gerade noch die Knospen meiner Brüste verdeckt? Das ist die neueste Mode. Tout le Paris trägt jetzt solche Gewänder.«
Sie schmiegte sich noch enger an ihn, bis Steel den Wein in ihrem Atem riechen konnte. Als sie sich anschickte, ihn zu küssen, nahm er ihren moschusartigen Geruch wahr, in den sich der Duft von Lavendelöl mischte, das sie ein wenig zu reichlich aufgetragen hatte. Steel wich ihrem Kuss aus, worauf Laurent, der seinem Captain genau gegenüber saß, grinste und meinte: »Von hier aus, Madam, sieht man kaum noch, ob Ihr überhaupt ein Kleid tragt.«
Die junge Frau kicherte, gab ein französisches Schimpfwort zum Besten und tat so, als wollte sie den Lieutenant mit einer Ohrfeige strafen.
Steel und seine Männer hatten sich im oberen Stockwerk des Roi d’Espagne eine Unterkunft gesucht, einer Schänke am Grand Place. Im Verlauf der letzten Stunden hatten sie in zwei eigens für sie reservierten Speisesälen die örtliche Küche genossen und den Geschmack der Speisen mit einer gehörigen Menge Wein hinuntergespült. Gesellschaft beim Dinieren leisteten ihnen einige junge Damen, die man ihnen am Nachmittag während einer Versammlung im Rathaus vorgestellt hatte. Steel war rasch auf diese hübsche, Französisch sprechende junge Blondine aus der Oberstadt aufmerksam geworden. Sie hieß, wenn er es richtig behalten hatte, Mathilde Remy. Ihr Vater war anscheinend Getreidehändler und genoss ein gewisses Ansehen in der Stadt. Mathilde war gerade erst siebzehn, aber bei ihrer anmutigen Figur hätte sie alles zwischen fünfzehn oder Ende zwanzig sein können. Sie war wirklich hübsch, und es gab Abende, da konnte einem Mann nichts Besseres über den Weg laufen als ein hübsches Mädchen, das einen die Schrecken des Schlachtfelds vergessen ließ.
Er hob das halb volle Glas an die Lippen, nahm einen Schluck und machte sich bewusst, dass er für diesen Abend genug Wein getrunken hatte. Etwas unsicher auf den Beinen stand er auf. »Ladies, Gentlemen, ich wünsche Euch eine gute Nacht.«
Williams schaute zu ihm auf, mit glasigem Blick. Die Küsse der Damen hatten Spuren von Rouge auf seinen Wangen hinterlassen, sein Hemd und seine Breeches waren offen.
Steel schüttelte den Kopf mit einem Seufzen. »Oh, Tom. Bitte, treibt es nicht zu weit. Aber ich denke, Ihr seid inzwischen zu betrunken, um noch wahren Schaden anrichten zu können. Oder um überhaupt zu verstehen, was ich sage. Denkt daran, ich erwarte Euch um sechs in der Früh. Nicht später.« Zu Hansam gewandt, sagte er: »Henry, dieser junge Mann hier ist nun in deiner Obhut. Kümmere dich um ihn.«
Hansam lächelte, winkte gutmütig,
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