Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
verschließen werden. Ist schon bald mit dem Angriff zu rechnen?«
»Innerhalb von zwei Tagen«, antwortete Steel und hoffte, dass er Recht behalten würde.
Brouwer legte seine Hand auf Steels Unterarm. »Dann heißen wir Eure Armee in der Stadt willkommen, und die Franzosen und ihre Freunde werden für immer fort müssen. Aber jetzt solltet Ihr Euch ausruhen. Und Euer Sergeant.«
Steel stellte die Schale mit Kaffee ab. »Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft. Uns ist bewusst, in was für eine Gefahr Ihr Euch und Eure Familie gebracht habt.«
Brouwer schickte einen nervösen Blick in Richtung seiner Frau. Aber sie hatte offenbar nicht gehört, was Steel eben gesagt hatte. Außerdem war ihr Englisch nicht sonderlich gut.
»Aber bevor wir uns ausruhen«, fuhr Steel fort, »könnt Ihr mir da noch etwas über die englische Lady erzählen? Wisst Ihr, wo sie ist? Seid Ihr sicher, dass dieser Pirat Trouin sie hat?«
»Da bin ich mir ziemlich sicher. Einer meiner Freunde erzählte mir das kurz vor Eurer Ankunft. Wie es scheint, ist Trouin sofort zum Gouverneur gegangen, nachdem er gehört hatte, was der Garnisonskommandant mit der Engländerin gemacht hat. Von nun an will er offenbar selbst auf die Dame aufpassen. Der Kommandant wollte sich darauf nicht einlassen. Es kam wohl zum Streit, der sich weitestgehend auf Worte beschränkte. Trouin behielt die Oberhand, was wenig verwunderlich ist. Soweit wir wissen, ist die Dame in seinem Hauptquartier untergebracht. Trouin besitzt nämlich eine Schänke im südlichen Stadtviertel, müsst Ihr wissen. Wir sind auf dem Weg hierher fast daran vorbeigekommen. Seine Leute patrouillieren im gesamten Viertel. Kein Ort, zu dem es mich wirklich hinzieht, aber ich bringe Euch heute Abend natürlich hin. Doch keinen Schritt weiter. Bei der Schänke seid Ihr auf Euch allein gestellt.«
Keine guten Nachrichten, dachte Steel. Gewiss war es weitaus schwieriger, Lady Henrietta in der Schänke aus den Händen der Piraten zu befreien als in der Garnison. Zudem wusste Steel jetzt, dass er nicht auf die tatkräftige Hilfe von Brouwer und dessen Gefährten der Volksbewegung zählen konnte. Offensichtlich hatte Hawkins sich verschätzt, als er in Steels Beisein von einer dynamischen Miliz gesprochen hatte. So viel zu dem Vertrauen meines Vorgesetzten in einem bewaffneten Aufruhr, ging es ihm durch den Kopf. Diese Leute mochten leidenschaftlich an ihr Land glauben, aber auf den Kampfeswillen der Flamen konnte man sich nicht mehr verlassen. Den mochten Captain Forbes’ Mörser im Keim erstickt haben.
Marlboroughs Plan war nach hinten losgegangen, mit noch nicht absehbaren Folgen. Eins war Steel indes klar: Wenn Lady Henrietta befreit werden sollte, würden er und Slaughter es ohne fremde Hilfe bewerkstelligen müssen.
***
Den Rest des Tages verbrachten sie in Brouwers Haus, in einer kleinen, klammen Dachkammer, in der es nach Mehltau roch. Das Haus mochte einmal einem Hafenmeister oder Zollbeamten gehört haben, und die Kammer unterm Dach war gewiss die Unterkunft der Dienstmägde gewesen. Die beiden Grenadiere hatten kaum genug Platz. Licht fiel nur durch ein einziges Giebelfenster, von wo aus man über die Dachschindeln der anderen Gebäude aufs Meer blicken konnte. Steel rieb über das staubige Glas und spähte durch die stumpfe Scheibe. Zunächst sah er kaum etwas wegen des Nebels. Doch je höher die Sonne stieg, desto mehr Umrisse konnte er erkennen, bis er gegen Mittag einen freien Blick auf die britische Flotte in ihrer ganzen militärischen Pracht hatte. Neben den Fregatten dümpelten die verhassten Bombarden im Wasser.
Steel setzte sich auf einen der Schemel in dem engen Raum und blickte auf das Tablett, das auf dem Boden stand: Zwei Teller, zwei Gläser und eine leere Flasche Bier zeugten von den Überresten der Mahlzeit, die Brouwers Frau zubereitet hatte. Er wunderte sich, dass in der belagerten Stadt noch keine Nahrungsmittelknappheit herrschte. Noch servierte man ihnen frisches Fleisch und Bier. Allerdings fiel ihm ein, dass es eine von Vaubans Maximen gewesen war, genug Vorräte für zwei Wochen in den Kasematten zu lagern. Außerdem hatten die Piraten Vorräte an Bord gehabt und gewiss zu einem guten Preis losgeschlagen.
Womöglich hatte man vor Schließung der Stadttore noch ausreichend Vieh von den umliegenden Gehöften in die Stadt getrieben. Was auch immer der Grund sein mochte, für Steel stand fest, dass man weder die Garnison noch die Piraten würde aushungern
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