Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Lowlands. Er sah sich wieder an der Herdstatt, als kleiner Junge, der zur Mutter aufschaute und mit piepsiger Stimme um noch etwas von dem süßen Teig bat, aus dem die Mutter Kekse gebacken hatte. Er war immer für seine Beharrlichkeit belohnt worden. In diesem Augenblick in dem fremden Haus stürmten all die Eindrücke lange zurückliegender Tage auf ihn ein; er glaubte, den Geschmack der Kekse seiner Mutter auf der Zunge zu spüren, und fühlte sich augenblicklich warm und geborgen.
Slaughter beugte sich zu ihm vor und flüsterte: »Riecht Ihr das, Sir? Wie zu Hause, nicht wahr? Wahrlich selten, so was. Und richtigen Kaffee gibt’s auch.«
Der scharfe Atem seines Sergeants holte Steel schlagartig in die Gegenwart zurück; erst jetzt machte er sich bewusst, dass der Duft der Backwaren noch von einem anderen, sehr verlockenden Duft überlagert wurde: das Aroma frisch gebrühten Kaffees. Eine Rarität im Feldlager der letzten Wochen, da der sogenannte »Kaffee« eigentlich eine Mischung aus allen möglichen Wurzeln und Kräutern war – und auch immer genauso geschmeckt hatte.
Brouwer bemerkte die Vorfreude in den Mienen der Briten, und zum ersten Mal seit der Begegnung unten am Hafen lächelte er. »Ich denke, etwas Kaffee dürfte Euch guttun. Setzt Euch doch bitte.«
Er rückte zwei Stühle am schlichten Esstisch zurecht, der den größten Teil der Stube einnahm. An den Wänden hingen Kupferstiche mit Stadtansichten; in einer Ecke stapelten sich Bücher. Andere Möbel gab es nicht. Auch Fabritius, der bislang geschwiegen hatte, wurde ein Platz angeboten. Steel warf einen kurzen Blick auf den Mann und merkte, wie ernst dieser war.
Er sprach ihn direkt an. »Also, Mr. Fabritius, seid Ihr auch Mr. Brouwers Meinung? Denkt Ihr, dass Flandern wirklich frei sein wird?«
Fabritius starrte ihn mit leeren, rot geränderten Augen an.
Steel schaute weg. »Tut mir leid.«
»Mein Freund möchte nicht mit Euch sprechen«, schaltete Brouwer sich rasch ein. »Aber fasst das bitte nicht als Beleidigung auf. Ich glaube, er ist zu traurig, um mit jemandem zu sprechen. Ihr müsst wissen, dass sein Vater bei dem Kanonenbeschuss ums Leben kam. Das Elternhaus wurde verwüstet.« Er wandte sich an seine Frau. »Wo bleibt der Kaffee?«
Als Steel erneut einen Blick auf Fabritius warf, sah er, dass er die Fingernägel der rechten Hand in die Fläche der linken Hand bohrte, um seinen Zorn zu zügeln. Wut auf die Briten, dachte Steel, und Wut auf mich.
Berthe goss den Kaffee in vier Schalen, worauf die Männer dankbar zugriffen. Schließlich hob Brouwer erneut an. »Ihr bleibt bis heute Abend hier. Ruht Euch aus. Wir haben Betten für Euch. Die Kinder sind bei ihrer Großmutter am anderen Ende der Stadt. Wenn Ihr Euch ausgeruht habt, zeige ich Euch, wo sich dieser Trouin herumtreibt. Und dann, Captain Steel, seid Ihr gefragt.«
Steel nickte. »Ihr seid mehr als großzügig, Mr. Brouwer, insbesondere nach allem, was geschehen ist.«
Der Flame schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, Captain, ich weiß nicht mehr genau, was ich noch glauben soll. Ich kann nur Gott danken, dass meine Frau und meine Kinder nicht unter den Toten waren oder verletzt wurden. Aber wie Fabritius hatten auch wir Freunde, die nicht mehr leben. Meine Kinder haben Spielgefährten verloren. Kinder starben während des Beschusses oder wurden furchtbar verletzt.« Er unterbrach sich und wiegte die noch heiße Schale Kaffee in den Händen. »Sagt mir, Captain, hättet Ihr das Feuer eingestellt, wenn man die Frau nicht dort oben angebunden hätte?«
Steel mied den Blick des Gastgebers. »Ich … weiß es nicht. Vielleicht. Wahrscheinlich. Wenn es nach mir gegangen wäre, ja.«
»Aber Ihr habt mir erzählt, dass die Menschen in Bayern aus ihren Häusern vertrieben wurden. Ganze Dörfer brannten.«
»Das stimmt. Tatsächlich haben das die Niederländer getan.«
»Gewiss. Unsere Freunde und Nachbarn die Niederländer. Aber doch auf Marlboroughs Geheiß, oder nicht?«
Steel warf einen zögerlichen Blick auf Brouwer.
»Keine Sorge, Captain. Natürlich werde ich Euch helfen, wie versprochen. Aber ich werde nicht für Euch kämpfen. Ich bringe Euch an den vereinbarten Ort, kehre dann aber zu meiner Familie zurück, denn sie bedeutet mir im Augenblick alles. Ihr nehmt die junge Frau mit – sofern Ihr sie diesem Trouin unter der Nase wegschnappen könnt. Dann müsst Ihr schnellstens wieder durch das Schleusentor aus der Stadt, das wir bis zum Angriff nicht
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