Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
die andere als unehrenhaft bezeichnen würden?«
Jennings starrte den Mann an. Für einen kurzen Moment war er versucht, ihn zum Duell zu fordern. Doch dann besann er sich, in welcher Lage er sich befand. Und ihm dämmerte allmählich, dass Michelet recht hatte. Mit seinem ganzen Verhalten hatte er, Jennings, den hergebrachten Ehrenkodex über den Haufen geworfen und durch einen eigenen Kodex ersetzt. Ein moralischer Kodex für das moderne Zeitalter. Jetzt wusste er, dass es kein Zurück gab.
Michelet schickte sich an, davonzutraben, drehte sich aber noch einmal im Sattel um.
»Ach, Major, auch ich hätte da noch eine kleine Bitte. Ich weiß, dass Ihr nicht gegen Eure eigenen Landsleute kämpfen werdet. Das würde ich nicht einmal von Euch erwarten. Aber es gibt da ein Problem, bei dem Ihr uns vielleicht behilflich sein könntet. Auf der Ebene diesseits von Blindheim befindet sich eine Einheit, eine Kompanie, von Männern, die Ihr als Abtrünnige bezeichnen würdet. Deserteure aus Eurer Armee. Zumeist Engländer, Iren und Schotten. Ich wäre Euch zu großem Dank verpflichtet, Major, wenn Ihr diese Leute unter Eure Fittiche nähmet. Bringt sie aus dem Dorf und führt sie ins Zentrum der Linien, aber weit genug hinten. Haltet sie aus der Gefahrenzone. Ich versichere Euch, nach der augenblicklichen Verteilung der Streitkräfte bräuchtet Ihr lediglich gegen Niederländer und Preußen zu kämpfen, wenn überhaupt.«
Jennings nickte und machte sich die Ironie seiner Lage bewusst: Man bat ihn, eine Abteilung Deserteure zu kommandieren.
»Ihr seid ein gerissener Mann, Colonel. Natürlich komme ich Eurer Bitte nach. Was bleibt mir anderes übrig? Ein kleiner Preis, den ich zu zahlen bereit bin, wenn es dem Sieg dient. Und wenn ich Eure Worte richtig deute, Colonel, ist die Schlacht ja bereits so gut wie gewonnen.«
Michelet lachte überlegen. »Ich denke, daran besteht inzwischen kein Zweifel mehr. Ja, wir werden siegen.«
11.
Marlborough schüttelte den Kopf und sah zu Cardonell hinüber. »Adam, reitet bitte zu General Cutts. Sagt ihm mit Nachdruck, er soll Blenheim nicht erneut ohne meinen ausdrücklichen Befehl angreifen. Er hat sich auf eine Entfernung von hundert Metern zurückzuziehen und wird von dort ein Dauerfeuer aufrechterhalten. Die Franzosen müssen unter allen Umständen in ihren Stellungen im Dorf festgenagelt werden.«
Er hielt kurz inne; dann fuhr er fort: »Er soll seine Züge nacheinander vorrücken und feuern lassen. Dann sollen sie sich wieder so weit zurückziehen, bis sie außer Schussweite der Franzosen sind. Wenn er sich an diese Vorgaben hält, wird er den Gegner einem ständigen Beschuss aussetzen. Lord Cutts darf auf gar keinen Fall die Stellungen angreifen. Er soll den Feind beschäftigen und ihn daran hindern, die Verschanzungen von Blenheim aufzugeben. Könnt Ihr das alles behalten?«
»Absolut, Euer Hoheit.«
Während Cardonell davonritt, wandte sich der Herzog seinem Vertrauten Cadogan zu. »Seht Ihr, George, auf diese Weise werden wir gut die Hälfte ihrer Streitkräfte festsetzen. Inzwischen dürfte Tallard fünfundzwanzigtausend Mann nach Blenheim beordert haben. Und wir nageln sie dort fest und brauchen dafür nicht einmal halb so viele Männer wie Tallard.«
Der Herzog verfolgte das Gemetzel, das sich weiter unten in der Ebene abspielte. Dann wandte er sich an Hawkins: »James, ich denke, wir können Blenheim getrost General Cutts überlassen. Er hat seine Befehle.«
Hawkins deutete auf den rechten Flügel, wo die Pulverschwaden wie eine Wolkendecke am Himmel standen. »Wie es scheint, hat auch Prinz Eugen alle Hände voll zu tun, Euer Hoheit.«
»Seine Aufgabe ist es, so viele gegnerische Verbände wie möglich zu binden. Dessen ist er sich bewusst. Ich bin sicher, er wird nicht unterliegen.«
Marlborough blickte hinüber zum Zentrum der feindlichen Linien. Es war schwierig zu beurteilen, wie der Kampf vorankam. »Was denkt Ihr, James, gehört das Dorf uns?«
Hawkins spähte durch sein Fernrohr und richtete es auf die nähere Umgebung von Oberglauheim. Da Marlborough an Absprachen und Versprechen gebunden war, hatte er das Kommando für den Vorstoß im Zentrum dem jungen Prinzen von Holstein-Beck übertragen, einem jungen Burschen, der erst gestern eingetroffen war. Eine Entscheidung, die Hawkins nicht guthieß. Denn Holstein-Beck war als Offizier völlig unerfahren.
Und den jüngsten Entwicklungen dort im Zentrum entnahm Hawkins, dass die Dinge nicht wie geplant
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