Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Lieutenant Hansam hat sich seinen Anteil schon gesichert. Möchtet Ihr Euch zu uns setzen?«
Steel lehnte mit einem Kopfschütteln ab. »Danke, Tom, aber mich nehmen Angelegenheiten der Kompanie in Beschlag.« Ihm fiel auf, dass die Wangen des Fähnrichs grau von getrocknetem Dreck waren; auch die Breeches und die Gamaschen starrten vor Schmutz. »Also, ich würde so nicht zur Parade gehen, Tom. Macht Euch sauber, wenn Ihr irgendwo Wasser auftreiben könnt. Wart Ihr letzte Nacht unterwegs?«
»Ich habe die Patrouille angeführt, Sir. Wir zogen mit den Mineuren los und überprüften die Belagerungsstollen. Haben auch Stollen des Feindes gesucht.« Er brach den Flügel von einem weiteren Hühnchen ab. »Wir brachten einen Gefangenen mit. Einen Wallonen. Ein mürrischer Kerl. Er wird gerade verhört.«
»Gut gemacht, Tom.«
Williams lernt schnell, dachte Steel. Wie sehr er sich doch verändert hatte in den vier Jahren, seit er als grüner Junge frisch aus Eton zur Truppe gestoßen war. Inzwischen war Tom ein erfahrener Offizier, besser und rechtschaffener als die meisten Offiziere, die Steel kannte.
Den Abteilungen der Mineure kamen in diesem Krieg die härtesten Aufgaben zu. Wenn diese Truppen loszogen, meist im Schutz der Dunkelheit, ausgestattet mit Spitzhacken und Spaten, mussten sie die Gräben und Stollen für die Belagerung inspizieren. Kam es zu Feindberührungen, wurden im Notfall die Werkzeuge als Waffen eingesetzt. Die Mineure brauchten nicht nur das technische Wissen, sondern auch Mut und Umsicht. Und Williams hatte sich als Patrouillenführer tapfer geschlagen.
»Je mehr wir von den Befestigungen der Franzosen wissen«, fuhr Steel fort, »desto früher können wir durchbrechen. Und ich wette, dass wir auf die Stollen des Feindes treffen werden. Nun ja, wenn ein Stollen unter uns in die Luft fliegt, werden wir allerdings nichts davon wissen. Wie, meine Herren? Denn dann werden wir wohl in Stücke gerissen.«
Die Männer lachten. Williams, der seine Frühmahlzeit beendet hatte, sagte: »Es heißt, heute Nacht gäbe es einen Angriff, Sir. Stimmt das? Was meint Ihr?«
»Tja, Tom. In den Gräben ist immer die Rede von einem Angriff, weil die Männer nichts lieber wollen als die Gräben zu verlassen. Alle brennen darauf, aus der Enge der Gräben in den Sturmlauf überzugehen. Nur der Zeitpunkt dafür ist unsicher.«
Ja, dachte er, man kann es in den Gesichtern der Männer sehen. Graue, angespannte Mienen. Immer wieder gab es Gerüchte, der Angriff stehe bevor, doch wenn nichts daraus wurde, waren die Männer verunsicherter als zuvor. Das Problem bei dieser Art der Kriegsführung war, dass die Soldaten zu viel Zeit zum Nachdenken hatten. Und wenn es nach den Offizieren ging, sollte der gemeine Soldat nicht noch ermuntert werden, zu viel über sich oder über die Taktik nachzudenken.
»Keine Sorge, Tom. Ich lasse es Euch wissen, sobald ich etwas Neues erfahre. Aber jetzt macht Euch bitte auf den Weg zu Eurem Diener, damit er Eure Uniform sauber macht. Wenn der Colonel Euch so sieht, bin ich wahrscheinlich auch dran.«
Keine fünf Stunden später erinnerte Steel sich an sein Versprechen Williams gegenüber. Aber da war es zu spät, den Fähnrich extra zu benachrichtigen.
Gegen ein Uhr mittags schossen die sieben Batterien der schweren Belagerungsgeschütze, die unmittelbar hinter den Grenadieren Stellung bezogen hatten, sich allmählich auf die Festungswälle der Sternschanze ein, die sich schützend um die Stadt schloss. Steel konnte aus dem Graben erkennen, was der Zweck dieses Beschusses war: Der Feind hatte Männer losgeschickt, die die Schäden an den Befestigungsmauern ausbessern sollten, doch unter dem einsetzenden Beschuss wurden die Pioniere und Arbeiter wieder zurück in die Zitadelle gedrängt. Auch danach hielt das Sperrfeuer an.
Zehn Minuten später kam ein Bote schwer atmend aus einem der Nebengräben. »Captain Steel, Sir. Colonel Farquharson lässt Euch grüßen, Sir. Ihr sollt Euch bereithalten, gegen den Feind vorzurücken.«
Schon machte der junge Bursche kehrt und eilte zurück. Steel rief Slaughter zu: »Die Männer antreten lassen, Sergeant. Offiziere, auf die Posten. Granaten und Zündschnüre überprüfen. Entzündet die Lunten.«
Der Sergeant gab die entsprechenden Befehl weiter. »Die Musketen überprüfen, Jungs! Auch die Bajonette. Wir greifen an.«
Doch es sollte noch fünf weitere Stunden dauern, bis die Order kam, mit der Kompanie vorzurücken. Es war gegen sechs Uhr
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