Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
blutige Nase zu verpassen, ehe sie Gelegenheit hatten, näher heranzukommen. Bis dahin waren Steels Männer und die Grenadiere der anderen Regimenter auf sich gestellt, ausgerechnet bei der so wichtigen ersten Salve.
Langsam schwand der Abstand zwischen den Linien aus roten und weißen Soldaten.
Als Steel die Entfernung des Gegners auf etwa fünfzig Schritte schätzte, gab er den Befehl zum Stehenbleiben. »Bereit machen. Wir feuern Zug um Zug.« Er machte eine Pause. »Anlegen! Feuer!«
Die erste Salve wurde aus den britischen Reihen abgegeben, gefolgt von der nächsten und übernächsten entlang der Linienformation. Fast zeitgleich blitzten die Mündungen der französischen Infanterie auf, als der Gegner seine Salve abfeuerte, die verheerender war, dafür jedoch früh abriss. Die Briten indes waren in der Lage, ihren Peloton-Beschuss innerhalb der Reihen aufrechtzuerhalten. Durch die Pulverschwaden hindurch sah Steel, dass die weiß gekleideten Franzosen schwere Verluste hinnehmen mussten, doch aus den Augenwinkeln sah er auch die Lücken in den eigenen Reihen.
Slaughter versuchte, Ordnung in die Reihen zu bringen, schubste oder zog die Männer auf ihre Posten. Derweil zerrten die Trommlerburschen die Toten nach hinten. Die Franzosen brachten ihre zweite Salve zustande, der Beschuss der Grenadiere wogte von Reihe zu Reihe. Doch die Franzosen gaben nicht auf und liefen nicht davon, wie Steel es gehofft hatte. Und als die Pulverwolken sich auflösten, sah er auch, warum die Gegner verharrten: Hinter den zwei Reihen des feindlichen Regiments, in denen bereits große Lücken klafften, war eine weitere Einheit aufgetaucht, um die Kameraden zu unterstützen. Erstaunt verfolgte Steel, wie das vordere Regiment sich aufspaltete und die neue Einheit durchließ, die sofort in Gefechtsposition gehen konnte.
Verflucht, schoss es ihm durch den Kopf, jetzt haben sie uns. Ihm war auf Anhieb klar, dass sie das Feuergefecht nicht mehr gewinnen konnten. Es wurmte ihn, dass die Wende so rasch gekommen war, aber eins hatte er in diesem Krieg gelernt: Er wusste, wenn es Zeit war, den Rückzug anzutreten. Und dieser Zeitpunkt war jetzt gekommen. Es waren einfach zu viele Gegner.
»Sergeant, die Männer sollen sich zurückziehen! Zurück! Zurück zu den Gräben, Jungs!«
Slaughter nahm den Befehl auf und rief: »Ruhig bleiben! Feuert schön weiter. Keiner dreht denen den Rücken zu. Ich erschieße jeden, der sich vor meinen Augen umdreht! Langsam zurückweichen, langsam, Jungs!«
Inzwischen hatten sie die Brustwehr erreicht. Die Franzosen waren aufgerückt und auf einer Distanz von fünfzig Schritt stehen geblieben. Nach und nach liefen sie dann zurück in die Stadt. Alle paar Schritte feuerten sie noch ihre Salven ab, doch der Beschuss war nicht mehr einheitlich und richtete keine großen Verwundungen mehr an. Einer der Grenadiere wurde an der Wange getroffen und wischte sich fluchend das Blut weg.
Kaum waren die letzten Kameraden hinter Steel in den Graben geklettert, registrierte er eine weitaus kräftigere Salve. Von links erschallte der Ruf: »Mann getroffen!«
Steel schaute sich um. Er sah, wie Hansam sich den rechten Arm hielt. Williams keuchte vor Erschöpfung, während Slaughter die Männer durchzählte. Vorsichtig spähte er über die Gabionen und sah, dass die Franzosen allesamt zurück zur Festung eilten. Alle Grenadiere waren wieder in dem Graben. Die Jungs, die unglücklich zuletzt getroffen worden waren, hatte man ebenfalls in den Schutz des Grabens gezerrt.
»Sergeant, wer ist getroffen? Schickt Matt Taylor hin. Vielleicht kann er ihn zusammenflicken.«
Slaughter schüttelte den Kopf. »Fürchte, dass kann er nicht, Sir. Es ist Taylor, Sir. Er ist tot.«
***
Die Woche nach dem Sturmangriff verging schleppend. Es muss doch ein Ende dieser zermürbenden Pattsituation geben!, dachte Steel. Der Verlauf des letzten Angriffs hatte ihn verblüfft. Sie hatten es nicht bis zur Bresche geschafft, und die Franzosen hatten sich klug aus der Affäre gezogen. Auch die Zahl der eigenen Opfer hatte ihn mit Schrecken erfüllt. Allein in dem kurzen Gefecht hatte seine Kompanie über zwanzig Tote und Verwundete zu beklagen, darunter auch Matt Taylor. Seinen Tod bedauerten alle in der Kompanie. Der Mann war ungemein beliebt gewesen, nicht nur, weil er sich so gut auf die Wundversorgung verstand, sondern weil er immer gute Laune verbreitet und einen scharfen Verstand besessen hatte.
Insbesondere für Steel war Taylors Tod ein
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