Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Freie trat, blickte er säuerlich drein – und er war nicht allein.
Colonel James Hawkins begrüßte Steel mit einem breiten Lächeln. »Jack, mein Junge. Ich habe oft an Euch gedacht. Kommt doch herein. Habt Dank, Lieutenant. Das wäre dann alles.«
Sie ließen den jungen, sichtlich verärgerten Offizier stehen und betraten das Zelt. Steel war verdutzt, als er sah, dass sie allein waren.
»Marlborough ist in einer Besprechung mit den Brigadekommandeuren«, erklärte Hawkins. »Sie wollen sich die Frontabschnitte ansehen. Hoheit ist nicht gerade bester Laune. Aber er dürfte bald zurück sein. Auch ein Glas Wein, Jack?«
Steel versteifte sich. »Bitte, ja.«
Der Colonel winkte einem Bediensteten und wandte sich dann wieder Steel zu. »Also, Jack«, sagte er und kam Steel dadurch zuvor. »Ich kann mir vorstellen, dass Ihr Euch des Öfteren gefragt habt ›Warum, zum Teufel, höre ich von denen nichts?‹ Sicher wollt Ihr gerne wissen, ob der fette König Ludwig den Köder geschluckt hat. Und Euch beschäftigt zweifellos die Frage, ob dieser Krieg bald ein Ende haben wird. Ich nehme an, Ihr seid voller Fragen.«
»Nun ja, Sir, ich …«
Hawkins winkte ab. »Natürlich beschäftigen Euch diese Fragen, und das zu Recht, mein Junge. Bei Gott, hätte man mich in einer geheimen Mission hinter die feindlichen Linien beordert und dann nicht über den Ausgang des Vorhabens informiert, ich wäre genauso aufgebracht wie Ihr. Seid Ihr verärgert?« Er reichte Steel einen randvollen Kelch, in dem der rote Wein funkelte, und nahm sich selbst einen Kelch. »Auf Eure Gesundheit, Jack. Ich bin froh, Euch nach der Geschichte mit General Webb heil und gesund wiederzusehen. Ein Triumph, würde ich sagen. Er erwähnte Euren Namen, müsst Ihr wissen. Der Generalmajor. Sprach in höchsten Tönen von Euren Fähigkeiten. So wart Ihr also einen Tag lang Kommandeur eines Bataillons. Und, Jack? Wie fühlte sich das an? Bestimmt gut, nicht wahr?« Der Colonel zwinkerte ihm zu.
Steel wusste nicht, was er sagen sollte. Hawkins hatte es geschafft, ihn vollkommen zu besänftigen. Waren das nur Gedankenspiele gewesen, was die Befähigung zum Kommandeur betraf? Oder steckte mehr hinter der Andeutung, Steel könne eines Tages ein eigenes Bataillon befehligen?
»Aber jetzt zur Sache, Jack. Was möchtet Ihr zuerst wissen?«
Er hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, als Marlborough eintrat, in Begleitung eines Dieners, der Mantel und Hut des Herzogs trug. Marlborough rieb sich die Schläfen, als er an einen großen Tisch trat, auf dem eine Karte der Region lag.
»Hawkins, etwas Wein, wenn ich bitten darf. Mein Kopf pocht, und mein Verstand muss zur Ruhe kommen. Ständig dieses Geplapper von der Belagerung! Unsere Gräben rund um die Stadt sind lang, und viele Abschnitte sind überflutet, das weiß ich doch längst schon alles. Meine Generäle erinnern mich an Zeitpläne. Stell sich das einer vor! Aber ich kenne die Zwänge eines Belagerungskrieges nur zu gut. Nach fünfundzwanzig Tagen müssen die offenen Erdarbeiten abgeschlossen sein. Gräben müssen gezogen sein, Stollen bis zu den Halbmondschanzen der Festung getrieben werden. Noch eine Woche, und die Schanze sollte erobert werden, am besten durch eine Bresche. Erst dann verlässt man die Gräben und stürmt die Befestigungsanlagen. Nach einer weiteren Woche muss die Sache zu Ende gebracht werden. Insgesamt achtundvierzig Tage, Hawkins, denn muss man eine Belagerung geschafft haben, vom ersten Spatenstich bis zur Kapitulation. Und wie viele Tage sind wir jetzt hier? Ihr kennt die Antwort. Zu lange. Zweieinhalb Monate. Drei Wochen über die Zeit. Fünftausend unserer eigenen Leute fielen bei dem Versuch, die verfluchte Festung zu stürmen! Ich sage Euch, Hawkins, ich wäre der glücklichste Mann auf Erden, wenn dies die letzte Belagerung wäre, die ich zu sehen bekomme.«
Er nahm einen Schluck Wein und fuhr fort, wobei er Steels Anwesenheit anscheinend gar nicht bemerkte. »Zumindest wissen die Franzosen, dass wir sie nicht von den Zinnen baumeln lassen, nachdem wir die Stadt erobert haben. So hat man es früher gemacht, aber wir führen einen zivilisierten Krieg, nicht wahr?«
»Falls man einen Krieg überhaupt als zivilisiert bezeichnen kann, Euer Hoheit.«
»Ein Krieg, der geführt wird, um die Zivilisation zu erhalten, ist von Natur aus ein zivilisierter Krieg.«
»Aber ist er auch gerecht?«, gab Hawkins zu bedenken.
»Kann es überhaupt je einen gerechten Krieg geben?« Diese
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