Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Mittel. Aber vielleicht würden sie in dieser Schlacht Beute machen. Marlborough hatte unter Androhung der Todesstrafe verboten, während des Feldzuges zu plündern, aber es bestand womöglich Aussicht auf legitime Beute, wenn sie an diesem Tag den Sieg davontrugen und bis nach Frankreich vordrangen.
Wenn sie den Sieg davontrugen. Steel lächelte. Er hatte sich an das Siegen gewöhnt. Aber wie sollten sie siegen, wenn sie nicht kämpfen konnten oder durften?
Er wandte sich Hansam zu. »Ich weiß nicht, wer uns so lange warten lässt, aber wer immer es sein mag, verflucht soll er sein. Ausnahmsweise auch Marlborough für seine verdammte Zurückhaltung. Wir müssen bald los, Henry! Schau dir nur die Männer an!«
Versuchsweise setzte er einen Fuß auf die Pontonbrücke. Er hörte, wie das Holz knarrte und sah, wie die Seile sich spannten, die am Ufer befestigt waren.
»Sieht gut aus, Jack. Die hält.«
»Sollte sie auch. Bald wird eine ganze Brigade den Fluss überqueren.« Hoffentlich bald, fügte er im Stillen hinzu. Dann deutete er auf das andere Ufer. »Siehst du das, Henry? Da drüben auf dem Feld?«
»Ja, unsere Männer sind den Franzosen zahlenmäßig unterlegen. Deshalb sind wir wohl hier.«
»Und doch müssen wir warten. Ganz schön gerissen von Marlborough, was? Er will die Franzosen so schnell wie möglich aus ihren Stellungen locken, will sie auslaugen. Marschall Vendôme zeigt er nur einen Teil seiner Armee, als Lockmittel. Er will die Franzosen dazu bringen, vorzurücken und Cadogan zu schlagen, ehe wir mit aller Macht eingreifen.«
»Ein kühner Plan, Jack. Aber was ist, wenn die Franzosen die Oberhand behalten? Was, wenn sie nun allzu rasch ihr Ziel erreichen?«
»Dann, mein Freund, sind wir umsonst bis hierher marschiert. Dann müssten wir zurückweichen bis zu den Anhöhen Richtung Lessines, schneller als wir gekommen sind. Aber stell dir vor, der Plan geht auf, Henry. Wenn es den Männern um Cadogan gelingt, ein bisschen länger durchzuhalten und weitere Truppen des Gegners aus den Stellungen zu locken, wird der Moment kommen, wenn Marlborough mit der Schlagkraft der Hauptarmee vorrückt. Und dann zwingt er der Schlacht seine Bedingungen auf. Du siehst, Henry, der genaue zeitliche Ablauf ist alles. Aber das macht es nicht einfacher für uns oder den Rest der Brigade. Wir können hier nur abwarten und zusehen.«
Jemand hüstelte respektvoll in Steels Nähe. »Bitte um Verzeihung, Sir, aber wann rücken wir vor? Ich kann mich nicht erinnern, die Männer schon einmal so mürrisch und gereizt gesehen zu haben. Sie sind wie Terrier vor dem Kaninchenbau und wissen im Augenblick nichts mit sich anzufangen.«
Seitdem Steel vor fast sieben Jahren in das Regiment gewechselt hatte, war Sergeant Slaughter nun schon an seiner Seite. Die beiden Männer verband eine Freundschaft, die wohl nur in gemeinsam durchlebten Schlachten entstehen kann und über das gewöhnliche Verhältnis zwischen Offizier und Sergeant hinausgeht. Tatsächlich ließen einige der anderen Offiziere der Brigade durchblicken, dass sie einen freundschaftlichen Umgangston bei Vorgesetzten und Untergebenen verachteten und für nicht angemessen hielten. Für Steel jedoch war dies die Art und Weise, einen Krieg zu führen. Nach seinem Dafürhalten sollte in einer Kompanie oder einem Regiment ein einvernehmlicher Ton herrschen. Natürlich waren Aspekte wie Hierarchie und Befehlsketten unerlässlich für die Aufrechterhaltung der Disziplin. Aber das stille Einvernehmen, das zwischen ihm und einem Mann wie Slaughter herrschte – das gegenseitige Vertrauen – war etwas Seltenes: Ein unsichtbares Band der Brüderlichkeit, das niemand nachvollziehen konnte, der es nicht erlebt hatte.
Unterdessen hatten die Geschützmannschaften auf den Hängen der gegenüberliegenden Hügelkette die Flugbahnen der Geschosse verändert, sodass die Kugeln allmählich Steels Brigade gefährlich wurden. Ein verirrtes Geschoss schlug am Flussufer ein und blieb im Matsch stecken.
Steel wandte sich an Slaughter. »Die schießen sich auf uns ein. Die nächste Salve wird treffen. Henry, es wird Zeit, dass wir Aufstellung beziehen.«
Kaum hatte er den Satz zu Ende geführt, als die drei Männer Rauchwolken der feindlichen Geschütze sahen, unmittelbar gefolgt von den unverwechselbaren schwarzen Punkten, die sich als schnell heransausende Kanonenkugeln entpuppten. Vier der Geschosse drifteten von Steel aus gesehen nach links und wühlten sich in die Reihen des
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