Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
hoffte, dass er bei der Frau eines Offiziers der Grenadiere die richtige Wahl getroffen hatte. Es war nicht zu übersehen, dass seine Männer ihr zugetan waren. Sie betrachteten Henrietta als Teil der großen Regimentsfamilie. Zudem wusste jeder, was sie durchgemacht hatte, und dafür zollten sie ihr Respekt. Außerdem war sie Captain Steels Frau.
Ein Captain mochte er zwar sein – und er erhielt einen nicht zu verachtenden Jahressold von 170 Pfund –, aber Steel war nach wie vor hungrig auf Beförderung. Denn so lieblich Henrietta auch war, ihre Ansprüche hatten bereits erhebliche Auswirkungen auf sein Leben. Steel war bislang kaum bewusst gewesen, was für Kosten eine Offiziersfrau verursachte. Gewiss, sie hatte eine kleine Mitgift in die Ehe eingebracht, aber diese Summe spiegelte nicht ihren Status als älteste Tochter des Herzogs von Rumney wider. Deshalb fragte Steel sich immer wieder, ob ihr Vater, da er Steels bescheidene Verhältnisse und die unsicheren Zukunftsaussichten kannte, nicht absichtlich eine größere Summe zurückgehalten hatte … für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes geschah.
Zudem waren weitere Summen vonnöten gewesen, da Henrietta darauf bestanden hatte, eine Zofe aus England kommen zu lassen. Sie hatte sich auch nicht mit einer einfachen Unterkunft in Brüssel zufriedengeben wollen, sondern gleich eine Suite für sich beansprucht. Als Junggeselle hatte Steel sich noch mit einem Bett in den oberen Räumen einer Taverne begnügt, doch seit der Heirat bestand Henrietta auf einem gewissen Standard und legte obendrein Wert auf die Möglichkeit, Gäste empfangen und unterhalten zu können: In Brüssel bestand das Apartment demzufolge aus zwei Schlafgemächern, einem Salon, einem Arbeitszimmer und einem Speisezimmer. Abgesehen von der Zofe gönnte Henrietta sich für die Küche einen eigenen Koch, ganz zu schweigen von ihren anderen Ansprüchen. Steel hätte es nie für möglich gehalten, dass Frauen so viel … Kram anhäuften.
Ja, sein Leben hatte sich von Grund auf verändert, und sosehr er seine Henrietta auch verehrte, allmählich empfand er die Zweisamkeit als Bürde. Inzwischen konnte er nachvollziehen, was Slaughter gemeint hatte, als er sagte, das Soldatentum und der Ehestand ergäben keine glücklichen Bettgenossen.
Dennoch, sobald Steel mit Henrietta das Ehebett teilte und ihren kleinen, weichen Leib neben sich spürte, waren all diese Gedanken verpufft. Schnell verlor er sich dann in Sinnesfreuden, die er sich nie erträumt hätte. Fast hatte er befürchtet, in den Monaten fernab vom Kriegsgeschehen verweichlicht zu sein, da er den Luxus eines Federbetts in den Armen seiner Frau genoss. Doch während der zurückliegenden Wochen hatte er erfahren, dass das Regiment nur wenige Gefechte erlebt hatte. Daher hatte er keine Gelegenheit verpasst, weiteren Ruhm zu erlangen.
Das schrille Kreischen einer Kanonenkugel, die über die Köpfe der Soldaten hinwegschwirrte, riss Steel unsanft in die Wirklichkeit zurück. Doch selbst während er beinahe unbeteiligt das Kampfgeschehen verfolgte, war er in Gedanken noch immer mit dem Problem befasst, dass er vor Jahresende Mittel und Wege finden musste, seine finanzielle Situation zu verbessern. Eine Beförderung zum Major würde ihm da zupasskommen und ihm einhundert Pfund mehr pro Jahr einbringen. Wahrscheinlich würde er seine geliebten Grenadiere dennoch nicht verlassen. Es sei denn, der gegenwärtige Regimentsadjutant käme im Verlauf des Feldzuges zu Schaden.
Steel hatte Charles Frampton zwar nie gemocht, aber der Major war ein zu guter Soldat, als dass man auf ihn verzichten könnte. In den Wochen nach Ramillies war Frampton an der Verbreitung verleumderischer Pamphlete gegen Marlborough beteiligt gewesen, was diesen Mann in Steels Augen noch verhasster gemacht hatte. Inzwischen sprach niemand mehr davon; die Angelegenheit war vergessen. Framptons Komplize, der eigentliche Drahtzieher der Intrige, war bestraft worden, und Frampton war mit einer strengen Verwarnung davongekommen. Zusätzlich hatte man ihn aufgefordert, mehrere hundert Guineen in die Regimentskasse zu zahlen.
Es entsprach nicht Steels Art, einem anderen Offizier ein Missgeschick auf dem Schlachtfeld zu wünschen. Andererseits war es, nüchtern betrachtet, natürlich der einfachste Weg, wenn man in die Fußstapfen eines gefallenen Kameraden trat … eine nicht unwillkommene Aussicht für einen Mann in Steels Situation, von Schulden geplagt und ohne ausreichende
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