Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Gale
Vom Netzwerk:
anderen Bataillons, doch die übrigen vier flogen genau in Richtung von Steels Kompanie. Es gab keine Möglichkeit, den Geschossen auszuweichen. Man konnte nur stehen bleiben und beten, dass das Glück es gut mit einem meinte.
    Steel schaute wie gebannt zum Himmel hinauf und verfolgte die Flugbahnen der Eisenkugeln, die inzwischen deutlicher zu erkennen waren und die Distanz mit unvorstellbarer Geschwindigkeit überwanden: Die Luft schien zu brennen, als die Kugeln den Zenit überschritten hatten und sich zur Erde neigten. Steel atmete erleichtert aus, als er sah, dass die schwarzen Geschosse über die Köpfe seiner Kameraden hinwegflogen. Einige Reihen dahinter jedoch verrieten Schreie, dass andere Soldaten des Regiments nicht so viel Glück gehabt hatten.
    Wieder sprach Steel seinen Sergeant an. »Bei Gott, ich wünschte, wir könnten fort von hier, Jacob. Ich glaube, die Jungs halten es nicht mehr aus. Bald fehlt ihnen der Mut, den sie brauchen werden.«
    »Aye, Sir, oder die Köpfe.«
    Eine weitere Salve kam der Kompanie gefährlich nah, aber die Kugeln trieben weiter nach rechts ab und rissen dem Pferd eines Offiziers aus Merediths Kompanie den Kopf ab. Der Offizier hatte den Unterschenkel verloren und lag halb unter dem toten Tier. Steel nickte in Slaughters Richtung und bekam mit, wie einer der Corporals einem der Rekruten auf die Schulter klopfte und den jungen Burschen zurück in die Reihe drückte. »Die Jungs scheinen weiche Knie zu haben, Jacob. Werden sie es durchstehen?«
    »Die schaffen das schon, Sir. Aber ich bin Eurer Meinung, Sir. Wir müssen bald los.«
    Der Wind trug Fanfarenklänge von Signalhörnern zu Steels Männern herüber. Als Steel nach links schaute, sah er, dass der aufgewirbelte Staub das Vorrücken der Kavallerie jenseits des Flusses anzeigte.
    »Das ist Kavallerie, Sir«, meinte Slaughter und spähte mit zusammengekniffenen Augen über die Schelde. »Und zwar jede Menge. Die wollen doch wohl nicht uns angreifen? Haben es bestimmt auf die armen Teufel am Dorfrand abgesehen.«
    Steel versuchte, die Reiter in der Staubwolke an ihren Uniformen zu identifizieren. Noch war ihm nicht klar, aus welcher Richtung sie kamen. Schließlich sagte er: »Nein, Jacob, das sind unsere. Hannoveraner. Und sie haben es nicht auf unsere Leute abgesehen. Sie halten auf die Franzosen zu, Gott sei Dank. Jetzt bekommen wir was zu sehen, möchte ich wetten.«

2.
    An einem klappbaren Holztisch vor einer kleinen Schänke am Rande des Dorfes Gavre – an der Straße nach Huysse – saß Louis Joseph de Bourbon, Duc de Vendôme und Marschall Frankreichs, und nagte den Rest Fleisch von einem Hühnchenschenkel. Die Knochen warf er seinen Hunden vor. Von seinen beiden Pointern würde er sich nie trennen, waren sie doch im Verlauf dieses Feldzuges und des letzten Jahres seine treuesten Begleiter gewesen. Inzwischen betrachtete Vendôme die Tiere als Talismane.
    Hinter dem Marschall wurden die Offiziere des französischen Generalstabs allmählich rastlos. Doch Vendôme ignorierte die Herren. Er schwieg und würdigte seine Berater keines Blickes, obwohl dem Stab Charles de Bourbon angehörte, Duc de Berry, der fettleibige Enkel des Sonnenkönigs, sowie James Francis Edward Stuart, der Anspruch auf den britischen Thron erhob. Vendôme machte sich bewusst, dass sein eigener Stammbaum nicht weniger erhaben war, immerhin war er der Enkel von Heinrich IV. von Frankreich und von Rechts wegen ein königlicher Prinz.
    Was, so überlegte er, hatte er diesen Herren überhaupt zu sagen? Keiner von ihnen hatte die Einladung angenommen, gemeinsam mit ihm zu speisen. Der Marschall verzweifelte an seinen Generälen und Beratern genauso wie an seiner Armee. Zugegeben, die Einheiten seiner Streitmacht – immerhin 85 000 Mann, aufgeteilt in 90 Bataillone Infanterie und 170 Schwadronen Kavallerie – waren größtenteils zufriedenstellend. Kopfzerbrechen machten ihm die Fremden, die sich der französischen Armee angeschlossen hatten, insbesondere die Schweizer, Spanier, Wallonen und die Söldner aus den unterschiedlichsten deutschen Landen.
    Zumindest der Herzog von Burgund, der Enkel Ludwigs, war nicht unter ihnen. Vendôme vermutete, dass der Prinz, der angeblich die Kunst der Kriegsführung erlernen sollte, in Wirklichkeit den Auftrag erhalten hatte, ihn zu beschatten. Seit Italien hatte er den Sonnenkönig nicht mehr zu Gesicht bekommen; Ludwig, so hatte es den Anschein, suchte eher den Rat des Kurfürsten Max Emanuel und hielt sich

Weitere Kostenlose Bücher