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Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Gale
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nicht mehr an den erfahrensten und loyalsten seiner Generäle.
    Vendôme spie ein Stück Fett aus. Nun, dachte er bei sich, der König würde schon bald feststellen, wie ausgezeichnet er, Vendôme, sich auf die Kunst der Kriegsführung verstand. Und dann würde Ludwig ihm Gehör schenken.
    Irgendwo draußen in der Nähe des Feindes lenkte Vendômes Cousin, Prinz Eugen von Savoyen, seine Truppen mit seinem Oberbefehlshaber Marlborough und versuchte, der Schlacht seinen Stempel aufzudrücken. Aber der Marschall war nicht übermäßig besorgt. War es ihm vor drei Jahren bei Cassano in Italien nicht gelungen, Eugen zu besiegen? Wenn nur dieser Esel, der Herzog von Burgund, jetzt nicht bei der Armee wäre! Und dazu noch im Range eines Marschalls. Zum ersten Mal spürte Vendôme die kleinsten Anzeichen einer drohenden Niederlage, doch er ließ diese Gedanken nicht an sich herankommen. Mit seinen vierundfünfzig Jahren und seiner Erfahrung von vier Jahrzehnten bei der Armee wusste Vendôme, dass es als Befehlshaber im Wesentlichen auf die Geistesverfassung ankam.
    Er schaute auf seine Hunde, die weiter um Bissen bettelten. Das Glück würde ihnen hold sein, fürwahr, sein Kommando war nicht in Gefahr. Er musste sich auf das Schicksal verlassen und auf seine Erfahrung.
    Als er Hufschlag vernahm, schaute er auf und sah einen Reiter, der auf die Schänke zuhielt. Ein Berater des Generalstabes, wie die Uniform vermuten ließ. Der Mann schwang sich aus dem Sattel und schaute sich um, vermutlich nach dem Befehlshaber.
    »Wo ist Marschall Vendôme?«, hörte der Marschall ihn fragen.
    Einer der Berater führte den jungen Mann zu Vendômes Tisch.
    »Monseigneur, ich überbringe Euch eine dringende Bitte von General Biron. Er wird angegriffen, Monseigneur.«
    Vendôme starrte den jungen Mann an und griff nach der Meldung. Rasch wischte er sich die fettigen Finger an den Schößen seines grauen Mantels ab, öffnete das Schreiben und überflog die Zeilen. »Alliierte Einheiten …«, murmelte er halblaut vor sich hin, »… Engländer, Preußen. Starke Truppenverbände.« Er hielt inne. »Wie stark, Mann? Sind sie in der Überzahl? Wie kann das sein?«
    Der junge Bote stammelte: »Nun, Hoheit … der Feind, Hoheit. Die Rotröcke sind da … Infanterie und Reiterverbände. Wir werden zurückgedrängt. Sie haben die Schelde bei Oudenaarde überquert.«
    Vendôme knüllte die Nachricht zusammen und stieß durch zusammengebissene Zähne hervor: »Oudenaarde. Ich hätte die Stadt in zwei Tagen eingenommen und das alles verhindern können.« Er suchte den Blick des jungen Boten und zog die Stirn kraus. »Biron bittet mich um Verstärkung, nicht wahr? Nun, Ihr könnt dem General ausrichten, dass die alliierte Armee nicht in unserer Nähe ist. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn sie sich seinen Stellungen genähert haben sollten. Ein solcher Gewaltmarsch ist undenkbar.«
    Der Bote war unschlüssig, fürchtete er doch um einen herben Dämpfer in seiner militärischen Karriere, wenn er jetzt widersprach. Doch letzten Endes glaubte er, dieses Opfer bringen zu können, wenn es ihm dadurch gelänge, Tausenden von Franzosen das Leben zu retten. Daher schüttelte er den Kopf und zeigte sich beharrlich: »Ich bitte Euch, Hoheit. Schaut noch einmal in Richtung Süden. Ich schwöre Euch, die alliierte Armee ist dort, zumindest ein beträchtlicher Teil. Eine ganze Vorhut Rotröcke, Sire. Infanterie und Kavallerie, dazu Artillerie. Sie drängen uns fort von Oudenaarde. Ein Regiment der Schweizer Infanterie haben sie schon in die Flucht geschlagen. Und gewiss richten sie in diesem Augenblick noch mehr Unheil an.«
    Vendôme verfluchte den jungen Burschen im Stillen, aber in seinen sechsunddreißig Jahren als Soldat – davon zwanzig Jahre als General – hatte er gelernt, wann es klug war, Ratschläge anzunehmen. Gemächlich stellte er den Weinkelch ab, nahm einen weiteren Hühnchenschenkel vom Teller, erhob sich und ging über die Straße. Sein Ziel waren nicht die anderen Offiziere, die sich ein wenig abseits unterhielten, sondern die Kuppe der Anhöhe.
    Dort angekommen, ließ er den Blick über den Horizont schweifen und blieb wie angewurzelt stehen. Fast hätte er sich an dem Bissen Fleisch verschluckt. Weit unten im Tal der Schelde hatte sich eine riesige Staubwolke erhoben; sie wirkte aus der Ferne wie ein Wirbelwind. Vendôme hätte Zuversicht verspüren können, aber er war kein Narr. Er konnte das Herannahen einer Armee von gewöhnlichen

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